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Paladin der Seelen

Paladin der Seelen

Titel: Paladin der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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vielleicht in einer sonderbaren Stimmung und versucht, Euren Bruder zu übertreffen?«
    »Das habe ich vorher schon nie geschafft, und ich werde jetzt nicht damit anfangen. Nein.« Er nahm ihre Hand in die seine und beschrieb kleine, beruhigende Kreise mit dem Daumen auf ihrer Handfläche. »Während meiner Kindheit wurde ich in der Kirche meines Gottes in die Lehre gegeben, aber meine Berufung war so leise, dass ich sie überhört habe. Ein zweites Mal werde ich den Ruf nicht überhören. Nun, wie sollte ich das auch zustande bringen, wenn mein Gott mir gegen die Seiten meines Kopfes schlägt und dabei Komm! brüllt – mit einer Stimme, die ein Dach zum Einstürzen bringen kann. Meine Jahre als Erwachsener habe ich ziellos verbracht, wenn auch nicht nutzlos im Dienst meines Bruders, weil mir nichts Besseres einfiel. Jetzt weiß ich etwas Besseres.«
    »Vielleicht für die nächste Stunde.«
    »Eine Stunde ist genug. Wenn es die richtige Stunde ist.«
    Arhys’ verlassener Page trottete auf den steinernen Innenhof und rief vom Fuße der Treppen hinauf: »Majestät? Sie sind für Euch zum Seitentor gekommen.«
    »Ich komme«, rief sie freundlich zu ihm hinab. Sie zögerte und warf Illvin einen missmutigen Blick zu. »Werden die Jokoner Euch überhaupt mit mir kommen lassen?«
    »Sie werden sich sogar freuen, dass sie einen weiteren Gefangenen von Rang erhalten, ohne etwas dafür tun zu müssen. Außerdem ist es die perfekte Verkleidung, um ihr Lager auszuspionieren und die Stärke ihrer Truppen.«
    »Was glaubt Ihr, was Ihr als Gefangener auskundschaften könnt?« Sie musterte ihn aus zusammengekniffenen Augen. »Und was soll die Verkleidung dabei sein?«
    Seine Lippen zuckten. »Eine Verkleidung als Feigling, liebe Ista. Wenn sie schon glauben, dass wir Euch verraten, um unser Eigentum zu retten, dann können sie auch glauben, dass ich mit Euch gekommen bin, um meine Haut zu retten.«
    »Ich glaube nicht, dass sie irgendetwas in dieser Richtung glauben werden.«
    »Umso besser für mein mitgenommenes Ansehen.«
    Sie blinzelte und fühlte sich allmählich aufgekratzt. »Wenn ich scheitere, werden sie Futter für die Dämonen aus Euch machen. Ein regelrechtes Festmahl für einen der jokonischen Zauber-Offiziere. Vielleicht sogar für Sordso selbst.«
    »Ah, aber wenn Ihr Erfolg habt, Majestät! Habt Ihr Euch schon einmal überlegt, was Ihr danach machen wollt?«
    Unbehaglich wich sie seinem dunklen, eindringlichen Blick aus. »Was danach kommt, ist nicht meine Aufgabe.«
    »Genau das habe ich mir gedacht«, sagte er in triumphierenden Tonfall. »Und Ihr bezeichnet mich als sonderbar! Dazu sage ich jetzt gar nichts mehr. Gehen wir?«
    Schon ruhte ihre Hand auf seinem Arm. Sie versuchte immer noch zu entscheiden, ob sie nun überzeugt worden war oder nur verwirrt. Er führte sie die Treppen hinunter, als schritten sie gemeinsam in einer Art Prozession dahin, zu einer Hochzeit oder einer Krönung, oder an einem Festtag, oder auf den Tanzboden im Palast des Königs.
    Diese Illusion endete bald, als sie sich ihren Weg über den verwüsteten Sternenhof suchten, wo heute Morgen zwei weitere Pferde tot und mit geschwollenen Leibern lagen. Sie schritten weiter, unter dem schattigen Torbogen hindurch und in das Durcheinander auf dem Vorhof. Ein Dutzend Männer hatte sich auf den Mauern versammelt, um die jokonische Gesandtschaft zu sehen, die draußen auf sie wartete. Es war beinahe die gesamte Garnison, die überhaupt stehen konnte.
    Zwei kurze, runde Türme ragten an beiden Enden des vorderen Walles nach außen. Von hier konnte man den Bereich vor dem Außentor ins Kreuzfeuer nehmen. Einige weitere Soldaten und eine füllige vertraute Gestalt in unvertrauten Gewändern wartete vor dem linken der beiden Türme, der die Seitenpforte beherbergte. Ista und Illvin, gefolgt von Goram und Liss, hielten dort an.
    »Dy Cabon.« Ista begrüßte den Geistlichen mit einem Nicken. Er hatte sich der auffälligen Gewänder seines Ordens entledigt – die verschmutzten weißen Stoffe waren ohnehin nur noch zum Verbrennen gut gewesen. Inzwischen trug er ein Mischmasch geliehener Kleidung, die ihm meistenteils nicht passte. In allen Farben außer weiß, wie Ista bemerkte.
    »Majestät.« Er schluckte. »Bevor Ihr geht … wollte ich um Euren Segen bitten.«
    »Das trifft sich gut. Bevor ich gehe, wollte ich auch um den Euren bitten.«
    Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Stirn. Wenn dabei irgendetwas vom göttlichen

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