Paladin der Seelen
Licht auf ihn überging, war es zuwenig, um selbst von ihrem zweiten Gesicht gesehen zu werden. Er schluckte und legte ihr die Hand auf die Stirn. Was für einen förmlichen Segensspruch auch immer er vorbereitet hatte, er vergaß ihn, brach in Tränen aus und brachte nur ein ersticktes »Der Bastard hilf uns!« zustande.
»Pssst«, meinte Ista tröstend. »Es ist gut.« Zumindest so gut, wie es sein konnte, unter den gegebenen Umständen. Sie musterte ihn genauer. Er hatte schlaflose Stunden bei den Kranken verbracht, er war ihren Bedürfnissen ausgesetzt gewesen, die unmöglich zu erfüllen waren und die Fähigkeiten erforderten, die er nicht besaß. Das alles hatte ihn zutiefst erschüttert. Das blutige Ritual auf dem Nordturm war noch quälender für ihn gewesen. Sein Gott hatte seine Seele untertunnelt und ausgehöhlt, bis kurz vor dem Durchbruch. So dünn waren ihre Umfassungen geworden, dass sie jeden Augenblick aufbrechen konnten – auch wenn dy Cabon selbst nichts davon merkte. Entweder hatten die Götter ungewöhnlich viel Glück gehabt, indem sie zwei solche Maultiere für ihre Zwecke die Straße nach Porifors entlanggetrieben hatten, oder sie hatten sich außergewöhnlich viel Mühe gegeben … Ich frage mich, ob dy Cabon ihre zweite Angriffslinie sein soll?
Konnte sie vielleicht darum beten, dass ihre Bürde stattdessen auf ihn überging? Der Gedanke wühlte sie auf, und sie blinzelte, um ihre Sicht zu klären. In ihr regte sich die Furcht erregende Überzeugung, dass die Antwort Ja lautete. Ja. Ja! Lasst die Verantwortung für dieses Unglück auf einen anderen übergehen, nicht auf mich, nicht schon wieder auf mich …
Nur dass dy Cabons Chancen, einen Erfolg zu überleben – oder gar ein Scheitern –, noch geringer waren als die ihren. Sie unterdrückte den Wunsch, vor seinen Füßen niederzufallen und ihn zu bitten, an ihrer Stelle zu gehen. Nein.
Für diesen Platz habe ich bezahlt. Die Kosten haben mich leer werden lassen. Ich werde ihn für niemanden aufgeben.
»Reißt Euch zusammen, dy Cabon, oder verschwindet von hier«, murmelte Illvin finster. »Euer Weinen macht sie nervös.«
Dy Cabon schluckte wieder und gewann seine Selbstkontrolle zurück. »Entschuldigung. Entschuldigung. Es tut mir Leid, dass meine Fehler Euch hierher gebracht haben, Majestät. Ich hätte mich niemals in Eure Pilgerfahrt drängen sollen. Es war vermessen.«
»Ja, nun, wärt Ihr nicht gewesen, hätten die Götter einfach jemand anderen geschickt, um die Fehler zu machen.« Jemanden, der unterwegs vielleicht gescheitert wäre. »Wenn Ihr mir dienen wollt, so lebt und legt Zeugnis ab. Eure Kirche muss die Wahrheit über dies alles erfahren, auf die eine oder andere Weise.«
Er nickte eifrig und hielt dann inne, als fände er die angebotene Möglichkeit zum Rückzug schwerer anzunehmen, als er erwartet hatte. Er verneigte sich und blieb mit gerunzelter Stirn zurück.
Illvin legte sein Schwert ab und reichte es Goram. »Bewahre das für mich auf, bis ich zurückkehre. Ich sehe keinen Grund, Sordso das Schwert meines Vaters als Geschenk zu überreichen, außer mit der Spitze nach vorn.« Goram nickte und versuchte, würdevoll auszusehen, doch seine Miene wirkte verzerrt.
Ista umarmte Liss, die mit einem finsteren Blick auf dy Cabon die Tränen unterdrückte. Dann führte Illvin sie durch den dunklen umschlossenen Raum unter dem Turm. Die Tür schwang auf und ließ Licht ein, und grunzend und keuchend hantierte ein Soldat mit irgendetwas, das mit einem gedämpften Knall zu Boden fiel. Dann trat er beiseite und ließ die beiden vorüber.
Es stellte sich heraus, dass es sich bei dem Gegenstand um ein schmales Brett handelte, das er über die steile Kluft vor der Burgmauer geworfen hatte. Illvin zögerte, und Ista fragte sich, ob er an all die Dinge dachte, die gestern überall auf Porifors zufällig zu Bruch gegangen waren. Ob diese behelfsmäßige Brücke einem ebenso üblen Zauber ausgesetzt gewesen war? Dann aber warf er ihr ein ermutigendes Lächeln über die Schulter zu und ging entschlossen hinüber. Das Brett bog sich beunruhigend durch, als er die Mitte erreichte, aber es hielt.
Ista blickte zur jokonischen Gesandtschaft hinüber, die vor dem Tor angetreten war und ihre Kapitulation erwartete. Einige Dutzend Reiter waren versammelt – zahlreiche Soldaten und drei Offiziere. Ista erkannte Fürst Sordso auf Anhieb. An seiner Seite ritt nervös der Dolmetscher-Offizier. Der dritte Offizier, ein schwerer,
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