Paladin der Seelen
um sie näher heranzubringen. »Ist das wahr?«, wollte sie wissen.
»Wenn Ihr es nicht glaubt, so schaut doch selbst nach dem, was Ihr wirklich sucht«, sagte Illvin mit einer Verbeugung in ihre Richtung. »Ich würde annehmen, dass Fürst Sordso die Überreste seiner Schwester Umerue auch aus dieser Entfernung noch erkennen könnte, wäre sie immer noch … nun, am Leben wäre jetzt nicht der richtige Ausdruck, oder? Würde sie sich immer noch innerhalb von Lady Cattilara und hinter diesen Mauern aufhalten.«
Der Dolmetscher zuckte auf seinem Sattel zusammen, doch Ista war nicht sicher, ob es an der Überraschung über Illvins Botschaft lag oder am Tonfall. Sordso, der bronzehäutige Offizier und die Zauberin wandten sich Porifors zu, und ihre Mienen wurden angespannt und in sich gekehrt.
»Nichts«, hauchte Sordso nach einer Weile. »Er ist fort.«
Die Zauberin musterte Illvin. »Der da weiß zu viel.«
»Meine arme Schwägerin ist tot, und das Geschöpf, das Ihr verloren habt, ist Eurem Zugriff entkommen«, sagte Illvin. »Können wir das jetzt hinter uns bringen?«
Auf ein Nicken des Fürsten hin stiegen zwei der Soldaten ab. Zunächst einmal überprüften sie, ob Illvin Klingen in der Schärpe oder den Stiefeln versteckt hatte. Er ertrug ihre tastenden Hände mit einem Ausdruck gelangweilten Missfallens. Sein hoch gewachsener Körper spannte sich an, als einer der Soldaten auf Ista zuging. Als der Mann vor ihren weißen Röcken niederkniete, entspannte er sich nur ein wenig.
»Ihr müsst Eure Schuhe ablegen«, erklärte der Dolmetscher. »Ihr werdet barfuß und ohne Kopfbedeckung vor die erhabene Mutter treten, wie es sich für eine geringere Frau und quintarische Irrgläubige geziemt.«
Illvin hob den Kopf und biss die Zähne zusammen. Doch was für Einwände ihm auch immer auf der Zunge lagen, er hielt sie hinter den Zähnen fest.
Die warmen Hände des Mannes fingerten an den Bändern herum, die Liss eben erst um Istas Knöchel gewickelt hatte. Sie stand steif da, leistete aber keinen Widerstand. Er zerrte die leichten Sandalen von ihren Füßen und warf sie beiseite. Dann stand er auf, wich zurück und stieg wieder auf sein Pferd.
Sordso ritt zu ihr und musterte sie von Kopf bis Fuß. Er lächelte grimmig über das, was er sah – oder vielleicht eher über das, was er nicht sah. Jedenfalls fürchtete er sich nicht, ihr den Rücken zuzuwenden, denn schroff wies er sie an, in der sich allmählich formenden Prozession den Platz direkt hinter seinem Pferd einzunehmen. Illvin versuchte, ihr seinen Arm zur Stütze anzubieten, doch der bronzehäutige Offizier zog sein Schwert und bedeutete ihm damit, hinter ihr zu gehen. Auf eine Handbewegung Sordsos hin setzten sie sich alle über die trockene unebene Landschaft in Bewegung.
Ista war sich kaum des messingfarbenen, strahlenden Mittagshimmels bewusst, unter dem sie dahertaumelte. Sie tastete im Innern ihres Geistes umher, fand aber nur eine widerhallende Dunkelheit. Sie schickte stille Flüche an den Bastard. Dann stille Gebete, erhielt jedoch keine Antwort.
War dies das Werk der jokonischen Zauberer? Einen Gott in der materiellen Welt zu besiegen? Gewiss konnten diese Gegner nicht diesen Gott überwältigen …?
Also nicht ein Versagen des Gottes, sondern ihres. Irgendwie waren die Pforten ihrer Seele wieder zugefallen, zusammengebrochen und verschüttet. Versperrt durch Steine aus Angst, Wut oder Demütigung, die den kürzlich erweiterten Durchgang versperrten …
Sie hatte einen Fehler gemacht, einen ungeheuren Fehler, irgendwann in den wenigen vorangegangenen flüchtigen Minuten. Vielleicht hätte sie die Aufgabe und den Gott doch an dy Cabon übergeben sollen. Vielleicht war es eine schreckliche Anmaßung von ihr gewesen, ihn für sich zu behalten, eine ungeheuerliche und fatale Anmaßung. Maßlose Überheblichkeit, sich einzubilden, eine solche Aufgabe wäre ihr übertragen. Wer wäre schon dumm genug, eine solche Aufgabe ihr aufzuerlegen?
Die Götter. Zweimal. Es war ein Rätsel, wie dermaßen gewaltige Geschöpfe sich so gewaltig irren konnten. Ich hätte es besser wissen müssen, als ihnen zu vertrauen. Und doch bin ich hier, wieder einmal …
Während des ganzen Weges stachen spitze Steine in ihre Füße. Der Zug bog auf den Hain ab und querte eine flache Senke voller dunklem Dreck, der unter den Hufen saugte und nach stehendem Wasser und Pferdepisse stank. Sie kletterten eine kleine Anhöhe empor. Ista hörte Illvins lange Schritte hinter
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