Paladin der Seelen
Priester nur träumen können, und nach der wir uns alle sehnen. Das ist eine Gabe, die man nicht leichtfertig ausschlagen sollte.«
Nicht leichtfertig, allerdings. Sondern ganz entschieden. Bei den fünf Göttern, wie war er nur auf diese Hirngespinste verfallen? In seinem Gesicht sah sie das Feuer eines Mannes, der ganz im Bann einer großen Idee stand. Sah er sich selbst bereits als ihren stolzen geistlichen Mentor? Er war davon überzeugt, dass er berufen war, ihr zu einem Leben im geheiligten Dienste der Götter zu verhelfen. Mit unbestimmten Ausflüchten würde sie ihn nicht davon abbringen können, ja, er würde sich durch nichts davon abbringen lassen, es sei den, sie enthüllte ihm die ungeschminkte Wahrheit. Ihr wurde flau im Magen.
Das nicht.
Doch.
Es war schließlich nicht das erste Mal, dass sie ein volles Geständnis ablegte. Sie hatte es schon einmal getan, vor einem Mann, der von den Göttern vereinnahmt worden war. Vielleicht zählte es zu den Dingen, die von Mal zu Mal leichter fielen.
»Ihr irrt Euch, dy Cabon. Diese Straße habe ich bereits hinter mir gelassen, nachdem ich ihr bis zum bittersten Ende gefolgt war. Ich war einmal eine Heilige.«
Diesmal war es dy Cabon, der überrascht zurückwich. Er schnappte nach Luft. » Ihr habt den Göttern als Gefäß gedient?« Bestürzung spiegelte sich auf seinem Gesicht. »Das erklärt einiges, das heißt … nein, tut es nicht.« Kurz griff er in sein Haar, ließ es dann wieder los, ohne es sich auszuraufen. »Majestät, das verstehe ich nicht. Weshalb wurdet Ihr von den Göttern berührt? Wann war dieses Wunder?«
»Vor langer, langer Zeit.« Sie seufzte. »Einst war diese Geschichte ein Staatsgeheimnis. Ein Staatsverbrechen. Ich nehme an, heute ist es das nicht mehr. Ob es als Gerücht fortbesteht oder als Legende, oder ob es vergessen wird, weiß ich nicht. Auf jeden Fall werdet Ihr mit niemandem darüber sprechen, nicht einmal mit Euren Vorgesetzten. Wenn Ihr es allerdings für notwendig erachtet, so mögt Ihr Euch Anweisungen von Kanzler dy Cazaril geben lassen. Er weiß alles darüber.«
»Man sagt, er wäre überaus weise«, merkte dy Cabon an. Seine Augen waren weit aufgerissen.
»Dann hat man ausnahmsweise einmal Recht.« Sie hielt kurz inne und ordnete ihre Gedanken, ihre Erinnerungen, ihre Worte. »Wie alt wart Ihr, als Lord Arvol dy Lutez, der bedeutendste Höfling von König Ias, wegen Verrats hingerichtet wurde?«
Dy Lutez. Ias’ Freund seit ihrer Kindheit, Waffengefährte, treuester Gefolgsmann des Königs während dessen fünfunddreißigjähriger, düsterer, unruhiger Herrschaft. Mächtig und gerissen, tapfer und reich, von gutem Aussehen und edlem Auftreten. Scheinbar ohne Ende waren die Gaben, mit denen die Götter – und auch der König – den ruhmreichen Lord dy Lutez überhäuft hatten. Ista war bei ihrer Heirat mit Ias achtzehn Jahre alt gewesen. Ias und dy Lutez, seine rechte Hand, standen in den Fünfzigern. Dy Lutez hatte die Hochzeit arrangiert, die zweite Ehe des alternden Königs, denn schon damals gab es Sorgen wegen der Gesundheit Oricos, dem einzigen überlebenden Sohn und Erben.
»Warum? Ich war damals noch ein Kind.« Er zögerte und räusperte sich. »Obwohl ich Gerüchte darüber gehört habe, als ich älter war. Wie es hieß …« Er verstummte.
»Ihr habt das Gerücht gehört, dass dy Lutez mich verführt hat und dafür den Tod durch die Hand meines königlichen Gemahls fand, nicht wahr?«, ergänzte sie ungerührt.
»Äh … ja, Majestät. Aber es war doch nicht …«
»Nein. So war es nicht.«
Er seufzte vor verstohlener Erleichterung.
Sie verzog die Lippen. »Ich war es nicht, die Lutez auf diese Weise liebte. Es war Ias. Dy Lutez hätte lieber ein Laienbruder Eurer Kirche werden sollen, würde ich sagen, und nicht Großmeister vom Orden des Sohnes.«
Neben den unehelichen Kindern, Gelegenheitskünstlern und gestrandeten Existenzen bot die Kirche des Bastards auch denjenigen eine Zuflucht, die ihre Befriedigung nicht in der fruchtbaren Verbindung zwischen Mann und Frau fanden, wie sie in der Obhut der großen vier lag, sondern die dem eigenen Geschlecht zugetan waren. Für Ista lag diese Erkenntnis lange zurück, und Zeit, Raum und Schuld hatten eine Distanz geschaffen, aus der sie es beinahe als belustigend empfand, wie dy Cabons Gesicht sich veränderte, während er ihre höfliche Umschreibung entschlüsselte.
»Das muss … schwierig für Euch gewesen sein, als junge Braut.«
»Damals,
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