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Paladin der Seelen

Paladin der Seelen

Titel: Paladin der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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gewesen, um sie jemals ganz hinter sich zu lassen. Sie war liebenswürdig; sie war aufmerksam ihren Gastgebern gegenüber; sie machte Komplimente und lächelte, biss die Zähne zusammen und schickte Foix aus, um den in letzter Zeit schwer auffindbaren dy Cabon zu suchen und ihm mitzuteilen, dass er seine Nachforschungen unverzüglich abschließen müsse. Es wurde Zeit, die Reise fortzusetzen.
    Die darauf folgenden Tage verliefen sehr viel angenehmer; es war eine gemächliche Wanderung durch aufblühende Landschaften, von einem unbedeutenden Heiligtum zum nächsten. Beinahe war es die Flucht, die Ista sich von ihrer Pilgerfahrt versprochen hatte. Sie bewegten sich stetig nach Nordwesten, verließen dabei Baocia und gelangten in das benachbarte Herzogtum von Tolnoxo. Lange Stunden im Sattel wechselten ab mit gemächlichen Fußmärschen zu Stätten von historischer oder religiöser Bedeutung – Quellen, Ruinen, Haine und Schreine, berühmte Grabstätten, Feldherrnhügel und einstmals umkämpfte Furten. Die jungen Männer der Reisegruppe suchten auf den Schlachtfeldern nach Pfeilspitzen, Schwertsplittern und Knochen und stritten darüber, ob die Flecken darauf die Überreste heldenhaft vergossenen Blutes waren oder nicht.
    Dy Cabon hatte ein weiteres Buch für seine Packtaschen-Bibliothek erworben, ein Werk über die Geschichte und Legenden des Umlandes, und bei jeder Gelegenheit trug er Abschnitte daraus vor. Die eigenartige Abfolge von bescheidenen Gasthäusern und geheiligten Herbergen war mit nichts zu vergleichen, was Ista als Königin, geschweige denn als jüngste Tochter eines Herzogs, je erlebt hatte. Trotzdem schlief sie besser als in ihrem eigenen Bett, so tief und fest, dass sie sich nicht erinnern konnte, wann sie das letzte Mal so gut geschlafen hatte. Zu ihrer großen Erleichterung wiederholte der beunruhigende Traum sich nicht.
    Die ersten morgendlichen Predigten nach ihrem Halt in Casilchas verrieten noch dy Cabons eilige Studien, denn sie waren unüberhörbar Wort für Wort aus irgendeinem Band mit exemplarischen Unterweisungen abgeschrieben. Doch in den Tagen darauf wagte er sich an immer kühnere und originellere Themen, an Heldengeschichten über chalionische und ibranische Heilige und von den Göttern berührte Märtyrer im Dienste ihrer erwählten Gottheit. Der Geistliche versuchte sogar, Verbindungen zwischen den Predigten bestimmter Tage und den heiligen Stätten herzustellen, die sie an diesen Tagen besuchten, doch Ista konnte er damit nicht täuschen. Er erzählte von berühmten Wundern, gewirkt von Männern und Frauen, die erfüllt gewesen waren von der Macht ihres Gottes. Damit brachte er zwar Ferdas und Foix’ Augen vor religiösem Eifer zum Strahlen – selbst Liss’ blieb nicht unberührt –, doch Ista erreichte der Geistliche mit diesen Botschaften in keinster Weise.
    Bald folgten die Gefährten den gewundenen Straßen durch die westlichen Vorberge und erreichten zur Zeit des Mittfrühjahrsfests die Stadt Vinyasca. Dieser Feiertag markierte den Höhepunkt der Jahreszeit und lag genau auf halbem Weg zwischen dem Tag der Tochter und dem der Mutter. In Vinyasca war dieses Fest überdies verknüpft mit dem Wiederbeginn der Handelszüge über die verschneiten Pässe nach Ibra. Diese Karawanen brachten jungen Wein und irisches Öl, getrocknete Früchte, Fisch und Hunderte weitere Köstlichkeiten aus dem Nachbarland, das ein milderes Klima genoss; dazu manche exotische Ware von entfernteren Küsten.
    Jenseits der Stadtmauern, zwischen dem steinigen Fluss und einem Pinienhain, war ein Festplatz vorbereitet worden. Würzige Düfte stiegen von den Grillfeuern auf, die hinter Zelten entfacht wurden, in denen die jungen Frauen des Umlands Handarbeiten ausstellten und damit um Auszeichnungen im Namen der Gottheit wetteiferten. Bei dem Zelt mit Stickereien, Näh– und Häkelarbeiten zuckte Liss nur mit den Schultern. Dy Cabon und Foix wagten einen Erkundungsgang zum Zelt mit den Küchenerzeugnissen, kehrten jedoch enttäuscht zurück und berichteten, dass dort nur den Preisrichtern Leckerbissen gereicht wurden.
    Das Essen mochte vielleicht im Mittelpunkt des Festes stehen, aber auch dem jugendlichen Bewegungsdrang musste Tribut gezollt werden. Immerhin war es ein Feiertag für die jungen Frauen, und die Jünglinge wetteiferten um deren Aufmerksamkeit bei den verschiedensten Gelegenheiten, in denen sie Geschick und Wagemut zur Schau stellen konnten. Auch Istas Wachen beteiligten sich an diesen

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