Paladin der Seelen
sie den Majordomus von ihren Plä nen unterrichtete, noch in diesem Frühjahr eine Pilgerfahrt anzutreten. Sie hatte vermeiden wollen, dass das Beispiel der Witwe Caria ihm noch zu lebhaft im Gedächtnis haftete. Eine bescheidene Pilgerreise, nur in kleiner Gesellschaft; mit wenigen Begleitern und maßvollem Gepäck. Kein königlicher Wagenzug mit Hunderten von Reitern, wie der Majordomus es für erforderlich hielt. Dy Ferrej hatte sogleich ein Dutzend Einwände vorgebracht, die einer wie der andere gerechtfertigt waren. Doch das ärgerte Ista nur noch mehr. Außerdem hatte er sich über ihre plötzliche Frömmigkeit gewundert.
Ista hatte angedeutet, dass sie für ihre Sünden Bu ße tun wollte, aber damit konnte dy Ferrej gar nichts anfangen. Für ihn war es schlichtweg unvorstellbar, dass sie unter seiner gewissenhaften Obhut eine nennenswerte Schuld auf sich geladen haben könnte. Ista musste gestehen, dass er damit nicht Unrecht hatte – zumindest, was die Sünden des Fleisches betraf, an die er offenbar dachte. Und für theologische Feinheiten hatte er gar nichts übrig. Je leidenschaftlicher Ista sich eingesetzt hatte, umso vorsichtiger, ja sturer war dy Ferrej geworden. Zum Schluss hätte sie ihn am liebsten angeschrien. Je drängender sie bat, umso verrückter musste ihr Plan in seinen Ohren klingen – davon war sie überzeugt. Eine ärgerliche Zwickmühle.
Ein Page eilte durch den Garten. Im Vorübergehen grüßte er Ista mit einer absonderlichen Verneigung, einem knappen Vorbeugen mitten im Sprung. Er verschwand im Bergfried. Einige Minuten später kam dy Ferrej heraus, den Pagen im Kielwasser, und schritt würdevoll durch den Garten. Die Schlüssel der Burg, Symbole seines Amtes, klimperten an seinem Gürtel.
»Wohin des Weges, dy Ferrej?«, rief Ista betont gelassen und zwang sich, die Füße still zu halten.
Er hielt kurz inne und verneigte sich – eine Geste, die sowohl Istas Rang angemessen war wie auch sei ner Würde und seinem Körperumfang. Der Page tat es ihm gleich. »Mir wurde gemeldet, dass einige Reiter aus Cardegoss eingetroffen sind, Majestät.« Er zögerte kurz. »Ihr habt eingewendet, dass der Eid, den ich Euch und Eurer Familie geleistet habe, mich nicht nur zu Eurem Schutz verpflichtet, sondern mir auch Gehorsam auferlegt. Ich habe viel über Eure Worte nachgedacht.«
Aha, dieser Pfeil hatte also getroffen. Gut. Ista lächelte leicht.
Er erwiderte das schwache Lächeln, doch es lag auch eine tiefe Befriedigung auf seinem Gesichts. »Da meine Bedenken Euch anscheinend nicht überzeugen konnten, habe ich an den Hof geschrieben und diejenigen um Beistand gebeten, auf deren Stimme ihr hören werdet. Der alte dy Ferrej hat tatsächlich kein Recht, Euch zu widersprechen, abgesehen vielleicht von der Nachsicht, die Ihr ihm nach all den Jahren seiner treuen Dienste schuldet – nein, die Ihr ihm vielleicht gütigst gewähren mögt …«
Ista kniff bei diesen Worten die Lippen zusammen. Was für ein durchtriebenes Spiel.
»Aber Königin Iselle und Prinz Bergon sind Eure Lehnsherren, und sie sorgen sich natürlich um die Sicherheit ihrer Mutter. Und soweit ich weiß, ist auch Kanzler dy Cazaril ein Mann, dessen Meinung Ihr achtet. Wenn ich mich nicht täusche, dürften die Boten einige beruhigende Ratschläge mitbringen.« Er nickte zufrieden und ging weiter.
Ista biss die Zähne zusammen und unterdrückte die Flüche, die ihr zu Iselle, Bergon oder Cazaril auf der Zunge lagen. Obwohl sie eigentlich lieber auf den alten dy Ferrej geflucht hätte, wie er sich gern bezeichnete, was aber nichts weiter war als Sprücheklopferei, denn der Mann war kaum zehn Jahre älter als sie. Doch sie fühlte sich so eingeengt, dass ihr fast die Luft wegblieb. In ihren Bemühungen, sie vor dem alten Wahnsinn zu schützen, würden ihre Beschützer sie bald erneut in den Wahnsinn treiben!
Hinter der Ecke des Bergfrieds erklang klappernder Hufschlag, begleitet von den Stimmen und Rufen der Pferdeknechte. Ista stand rasch auf und folgte dy Ferrej. Ihre Zofe legte die Stickerei beiseite, erhob sich ebenfalls eilig und tippelte hinterdrein, wobei sie leise vor sich hin schimpfte, vermutlich aus bloßer Gewohnheit.
Zwei Ritter vom Orden der Tochter schwangen sich auf dem gepflasterten Vorhof soeben von den Pferden. Dy Ferrej betrachtete sie erfreut und wohlwollend. Es waren gewiss keine Angehörigen des Tempels hier in Valenda – ihre Kleidung und Ausrüstung war in bestem Zustand, und nichts an ihnen wirkte
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