Palast der Sinne: Erotischer Roman (German Edition)
gen.
„Sie haben sich wohl verlaufen?“, krächzte eine Stimme. Sie gehö r te einem alten Mann, dessen Buckel dem Glöc k ner von Notre Dame zur Ehre gereicht hätte.
Vivien fuhr zusammen. Sie stand wieder vor dem Bild. Keine Spur von Evan, die Lustwiese war verschwunden. Eigenartigerwe i se war sie auf dem Bild gar nicht zu sehen. Sie musste hinter dem Schloss liegen.
„Wir haben schon vor einer Stunde geschlossen“, krächzte der Glöckner, und nahm Vivien an der Hand. Sie ließ sich aus der Galerie führen, in Gedanken immer noch auf der Lustwi e se.
„Wie spät ist es denn?“, brachte sie schließlich hervor. Die Ki r chenglocke schlug und gab ihr die Antwort. „Ein Uhr schon?“
„Ich sagte ihnen ja, wir haben vor einer Stunde geschlossen. Die Galerie ist täglich bis Mitternacht geöffnet. Aber scheinbar reicht ja nicht einmal mehr das. Die Jugend, die Jugend. Lauter Nach t schwärmer. Dabei sind es doch normalerweise Diskoth e ken, die sie anziehen, keine Ausstellungen. Diese Jugend, diese Jugend.“
Quasimodo schob sie hinaus, verschwand kopfschüttelnd in der Galerie und schloss die Tür hinter sich ab.
Es wurde still um Vivien. Sie atmete tief, sog den Duft der Nacht ein. Der Mond schien voll vom Himmel, die Sterne funke l ten um die Wette. Sie überlegte, wo sie ihr Auto abgestellt hatte. Ihre G e danken kreisten ständig um Evan. Sie war erleic h tert, dass es ihn doch gab, und enttäuscht, dass er sich nur ihr allein zeigte. Warum war er nicht erschienen, als Sandrine an ihrer Seite gestanden ha t te?
Andererseits, vielleicht war es auch besser so. Ihre beste Freu n din wäre imstande gewesen, und hätte sich über ihn he r gemacht, ohne Rücksicht auf Verluste. Gegen sie hatte Vivien keine Chance. Diesem Vamp konnte noch kein Mann widerst e hen.
Nach einer Weile lief sie an ihrem Auto vorbei. Irgendwie hatte sie es unbewusst gefunden. Sie stieg ein, startete den M o tor und fuhr los. Sandrine. Sie musste ihr unbedingt erzählen, was sie eben erlebt hatte. Aber ob ihre beste Freundin ihr glaubte? Viel wah r scheinlicher war, dass sie Vivien endgültig für verrückt erklärte. Fast zwei Uhr. Sie griff zum Telefon und ha t te ihre Nummer schnell auf dem Display. Um diese Zeit war Sandrine vielleicht noch auf. Oder sie hatte gerade jemanden in Arbeit. Vivien schalt e te das Handy aus.
Gegen halb drei kam sie in ihrer Wohnung an. Don Juan sprang ihr nicht entgegen, also war er noch auf Tour. Casanova hingegen schlummerte selig auf der Kommode im Flur. Sie schloss die Tür und marschierte ins Schlafzimmer. Auf dem Weg dorthin streifte sie Kle i dungsstück um Kleidungsstück ab und verstreute alles in der Wo h nung. Ermattet sank sie auf ihr Bett und kuschelte sich in die Kissen. Sie war zu keiner Bew e gung mehr fähig, selbst Evan hätte sie jetzt links liegen lassen. Obwohl … sie lächelte in sich hinein, während sie mit Riesenschritten auf Morpheus einladende Arme zustür m te.
5
„Geh endlich ran!“
Vivien zählte nicht mehr mit, wie oft das Telefon bereits g e läutet hatte. Ihre Hand begann zu schmerzen, so lange hielt sie es schon ans Ohr. Sandrine meldete sich nicht, hatte ihre Mailbox deakt i viert. Als Vivien den hundertsten Klinge l ton hörte, legte sie auf.
„Vielleicht war ihre Jagd gestern erfolgreich, und sie ist noch b e schäftigt mit du-weißt-schon-was.“ Patrick lief grinsend an ihr vo r bei und steuerte auf einen Kunden zu.
„Vielleicht schieße ich dir gleich ein du-weißt-schon-was nach“, rief sie ihm hinterher und lachte. Doch sie wurde schnell wieder ernst.
Sie sorgte sich um ihre Freundin. Es war nicht Sandrines Art, auf einen Anruf nicht zu reagieren. Normalerweise war wenig s tens die Mailbox eingeschaltet. Vivien erinnerte sich, wie Sandrine ihr vor einiger Zeit stolz deren Inhalt vorgespielt hatte. Lauter männl i che Anrufer, die sich mit ihr treffen wollten. Bei zwölf hatte Vivien au f gehört zu zählen. Damals war sie neidvoll erblasst, heute war ihr das egal. Sie brauchte keine volle Mailbox, keinen Bewerberpool an p o tentie l len Bettgenossen. Sie hatte ihren einen. Und der genügte ihr.
Aber hatte sie ihn tatsächlich? Außer ihr war niemand Evan bege g net. Ihrer besten Freundin war es nicht vergönnt gewesen, di e ses Privileg zu genießen. War das ein Indiz dafür, dass sie sich alles nur einbildete? Spielten ihre Hormone tatsächlich verrückt, sodass ihr Körper ihr diese Dinge vorgaukelte, wie Sandrine
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