Palast der Stürme
mich, noch für dich, noch für unser Kind. Wir werden so viel Zeit wie möglich miteinander verbringen und uns ansonsten in Geduld üben, auch wenn das nicht leicht sein wird.«
Collier lehnte den Kopf gegen den Pfosten und blies einen Rauchkringel in die Luft. Roxane ging um ihn herum, drückte ihr Kinn gegen seine Schulter und schlang einen Arm um seine Brust, um ihn an sich zu ziehen. Er drehte den Kopf und drückte ihr einen Kuss auf die Schläfe.
»Ich hatte gehofft, bei deinem Vater um deine Hand anhalten zu können, Roxane«, erklärte er leise. »Auf die altehrwürdige Weise, bei der es weder Eile noch Geheimnisse gibt.«
Roxane zögerte mit ihrer Antwort. Einen Augenblick lang spürte sie vage ein Gefühl des Verlusts – für sich selbst und auch für Collier. Vielleicht betraf es sogar ihren Vater. In besseren Zeiten hätte er Colliers Wunsch sicher zugestimmt. Sie drückte sich fester an Colliers Rücken.
»Dann sprich mit ihm und bitte ihn, mir den Hof machen zu dürfen. Aber halte nicht um meine Hand an, denn über unsere Beziehung kann er nur Spekulationen anstellen. Selbst in Kalkutta war unsere Bekanntschaft nicht von langer Dauer. Und er kennt dich nicht so gut, wie ich es tue. Im Augenblick ist er in erster Linie dein Vorgesetzter und nicht mehr. Obwohl ich alt genug bin, um über mein Leben selbst zu entscheiden, könnte er dir dein Leben schwerer machen als nötig. Ich möchte nicht, dass du deinen Sold verlierst.«
»Und wenn er herausfindet, dass wir ihn getäuscht haben?«, fragte Collier. »Wird er dann nicht noch viel wütender sein?«
Roxane schwieg eine Weile und dachte angestrengt nach. »Das weiß ich nicht«, räumte sie schließlich ein. »Aber damit werde ich mich befassen, wenn es so weit ist. Wir werden es ihn später wissen lassen, Collier. Ihn und Sera und wen auch immer wir es wissen lassen möchten. Aber zuerst lass uns heiraten und es niemandem verraten. Ich … ich werde schon seit einiger Zeit von einem zwingenden Gefühl geplagt: Es ist, als würden wir auf etwas Unsicheres zusteuern, und nachts bringt mich dieses Gefühl fast um. Ich habe Albträume, Collier. Und hast du nicht an meiner Brust geweint und gesagt, dass wir keine Zeit mehr hätten? Genauso empfinde ich auch, und ich habe Angst davor, auch nur einen Moment zu vergeuden, den wir miteinander teilen könnten.«
Collier zog sie zu sich herum und betrachtete ihr Gesicht in der Dunkelheit. Wie ein Blinder tastete er mit den Fingern über ihre Gesichtszüge, bevor er ihr einen langen Kuss auf den Mund gab. Als er sich von ihr löste, rührte der Ausdruck in seinen Augen sie fast zu Tränen.
»Morgen, mein Liebling. Morgen, das verspreche ich dir.«
Sie wurden am nächsten Tag in einer anglikanischen Kirche in Delhi getraut, so wie er es ihr versprochen hatte. In einem einfachen, aber hübschen blauen Kleid, das kein Aufsehen erregte, wurde Roxane vor Gottes Angesicht, dem Priester und seinen Ministranten als sterblichen Zeugen Colliers Frau. Ihre Stimmen hallten bis zu den Dachsparren hinauf und mischten sich mit dem Rascheln ihrer Kleidung, als sie sich hinknieten, sich setzten und sich erneut niederknieten. Die Zeremonie war kurz und auf das Wesentliche bezogen. Weder vor noch nach dem Ritual wurden ihnen Fragen gestellt, warum sie sich für eine so kleine Feier entschieden hatten. Als Collier Roxane den Ring über den Finger streifte, war seine Hand viel ruhiger als ihre. Sie weinte winzige Tränen der Verwirrung, aber auch des Glücks, während sie ihn dabei beobachtete. Danach setzten sie Seite an Seite ihre Unterschrift in das offizielle Kirchenbuch. Eine leichte Brise wehte durch die Kirchenbänke und über die Rosenholzstühle in die kleine Seitenkapelle und fuhr unter die Altardecke. Der Wind strich leicht über Roxanes nackte Unterarme, sodass sie unwillkürlich erschauderte und leicht zitterte, bis Collier ihr zärtlich den Rücken streichelte.
Ahmed hatte ein Mittagessen in seinen Gemächern vorbereiten lassen, und sie verbrachten den Nachmittag dort in seiner Gesellschaft. Obwohl es nicht ganz ihren Gebräuchen entsprach, überreichten Roxane und Collier Ahmed ein Brautgeschenk, welches er überrascht, aber in aller Form entgegennahm. Tränen glitten über seine walnussfarbene Haut.
»Du bist wirklich vom Glück verwöhnt«, sagte er zu Collier. »Es gibt nur wenige Memsahibs, die deiner Frau in Temperament und Willen gleichen.«
Collier grinste ein wenig zu selbstgefällig, wie Roxane fand.
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