Palast der Stürme
und schwieg dann.
Roxane packte die beiden schweren Pistolen und die Munition dafür in eine Tasche, bevor sie sich auf die Suche nach dem Stallburschen ihres Vaters machte. Zuerst zögerte der Mann, doch nach einer kurzen Diskussion, in der sie betonte, wie sehr sie seine Loyalität zu schätzen wusste, ließ er sich dazu überreden, die Kutsche für sie vorzufahren. Als Nächstes suchte sie den Gärtner Govind und nahm ihn beiseite. Sie griff in die kleine Tasche an ihrer Taille und zog einen Schlüssel heraus. Dann nahm sie seine braune Hand in ihre und presste den glänzenden Schlüssel in seine Handfläche.
»Sollte ich aus irgendeinem Grund nicht zurückkehren, dann hast du hier den Schlüssel für die Speisekammer und das Lager. Ich vertraue darauf, dass du mit den Dingen gut haushältst und denen hilfst, die es nötig haben.«
Er fragte nicht, warum sie ihm das sagte oder warum sie davon ausging, möglicherweise nicht zurückzukommen. Das war beunruhigender, als hätte er protestiert oder ihr Fragen gestellt. Ernst nahm er den Schlüssel an sich und hängte ihn an eine Kette, die er unter dem weißen Stoff seines Hemds verbarg.
»Passen Sie gut auf sich auf, Miss Sheffield«, sagte er.
Der Stallbursche hielt die Zügel des Kutschpferds locker in den Händen, während Roxane neben ihm saß und die Straße und das Gebüsch nach Spuren von Sera absuchte. Sie ließ anhalten und fragte einige Vorübergehende, ob sie ein kleines Mädchen mit einem Hund gesehen hatten. Alle zuckten jedoch nur die Schultern oder deuteten hilfsbereit in eine Richtung, in der sie gegangen wären, würden sie einen Hund ausführen wollen. Roxane bedankte sich mit für sie ungewöhnlicher Ungeduld und ließ den Syce weiterfahren.
In der Ferne kam der Exerzierplatz in Sicht, und Roxane sah, dass die Sepoys sich quer über den von Bäumen gesäumten Platz aufgestellt hatten. Einer der Offiziere, der mit dem Rücken zu ihr stand, sprach zu ihnen, aber sie konnte seine Worte nicht verstehen. Die Männer scharrten mit den Füßen, und einige zischten leise etwas. Das beunruhigte sie noch mehr, und sie befahl dem Fahrer, das Pferd anzutreiben. Ängstlich suchte sie die Straße ab und spähte zwischen die Häuser und die kleinen Baumgruppen. Es waren viele Menschen unterwegs, aber kein kleines Mädchen mit grünen Augen und mandelfarbener Haut.
Als sie die Brücke erreichten, die vor einem der Stadttore über das trockene Flussbett führte, zwang die Menschenmenge die Kutsche dazu anzuhalten. Der Stallbursche stand auf und brüllte über die Köpfe der Leute unter ihm hinweg, dann setzte er sich resigniert wieder hin.
»Sie gehen nicht zur Seite«, erklärte er.
»Das sehe ich«, erwiderte Roxane kläglich. »Wir werden die Kutsche verlassen und zu Fuß gehen müssen.«
»Die Kutsche verlassen?«, rief der Diener entsetzt. »Und wenn sie jemand stiehlt? Was wird der Sahib sagen?«
Roxane wandte sich mit grimmiger Miene dem Mann zu. »Er wird nichts sagen«, erklärte sie. »Wir suchen nach seiner Tochter. Der Wert einer Kutsche und eines Ponys sind nichts im Vergleich dazu.«
Der Syce weigerte sich dennoch, den Wagen zu verlassen. Schließlich kletterte Roxane ohne seine Hilfe aus der Kutsche, und obwohl er vergeblich nach ihrem Arm griff und sie anflehte, in dem Gefährt zu bleiben, bis die Menge sich zerstreut hatte, ignorierte sie den Stallknecht ihres Vaters und schob sich in die Menge.
Das Gewicht der Tasche mit den Waffen über ihrem Arm war hinderlich. Obwohl sie ständig damit gegen andere Leute stieß, wollte sie sie nicht loslassen. In der Menschenmenge würde sie die Waffen wahrscheinlich nicht laden können, falls sie sie brauchte, aber die Ausbuchtung in der Tasche würde möglicherweise einen Angriff auf sie verhindern, wenn sie entsprechend darauf hinwies. Die rasende Menschenmasse erzeugte Furcht und Zorn in ihr, und sie machte sich Sorgen um Sera, aber sie weigerte sich, ihren Gefühlen nachzugeben, denn jetzt konnte ihr nur ein kühler, klarer Kopf helfen.
Mühsam bahnte sie sich einen Weg zum Stadttor, als ihr auffiel, dass die Garde der Sepoys nicht davor stand. Offensichtlich war die ganze Stadt in Aufruhr. Einen Augenblick blieb sie stehen, um sich umzuschauen. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, und ihr Atem stockte. Geschäfte und Marktstände waren geschlossen. Einige waren bereits aufgebrochen worden, und uniformierte Sepoys plünderten sie unverhohlen aus. Andere Männer unterstützten sie bei ihrem
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