Palast der Stürme
Forts wider. Müll dampfte auf den Straßen, und die Erde, rissig und vertrocknet, zerbröckelte und flog in roten Staubwolken davon. Das Gras war an Stellen, an denen es noch vor Tagen liebevoll gepflegt worden war, zertrampelt und aus dem Boden gerissen. Die Blumen eines unglückseligen Verkäufers lagen zerstreut auf dem Gehsteig; die vertrockneten Blüten bildeten kleine, farbenfrohe Haufen an der Mauer eines Hauses oder blieben an den Abfällen hängen. Roxane hastete in die Richtung, wo Ahmeds Gemächer lagen, obwohl sie nicht wusste, was sie tun würde, falls man ihr den Zutritt verwehrte.
Roxane suchte wieder Unterschlupf, dieses Mal in einer schattigen Seitenstraße hinter einem umgekippten Ochsenkarren. Das Tier war nicht zu sehen. Roxane kroch in den Karren und hockte sich hin. Um sie herum lag überall Obst, und sie hob eine kleine, eingedrückte gelbe Frucht auf, wischte sie an ihrem fleckigen Rock ab und nahm sich Zeit, um sie zu essen und sich auszuruhen. Hier, in der Nähe des Palastes, war es ruhiger als in den anderen Straßen. Sie spähte durch die Latten des Karrens und sah einige Geier auf der sonnenbeschienenen Straße, die an irgendetwas auf den Pflastersteinen herumhackten. Ohne Hast wandte sie den Blick ab, so als hätte sie nur die Sonne geblendet.
Roxane aß eine zweite Frucht und biss in eine dritte, bis sie sich dazu zwang, sie wegzulegen. Ein unerwartetes Rumoren in ihren Gedärmen wäre in dieser Situation mehr als lästig. Sie suchte einige weitere Früchte aus, die am wenigsten beschädigt waren, und legte sie in ihre Schultertasche. Sera würde wahrscheinlich hungrig sein.
Ein plötzlicher Tumult scheuchte die Geier von ihrem Festmahl auf, und sie erhoben sich mit ihren riesigen, mit dünnen Federn besetzten Flügeln in die Luft. Pferdehufe klapperten über die Pflastersteine, und das Geräusch klang in der engen Straße wie Donner. Erst einer, dann zwei und dann vier Sowars galoppierten langsam nacheinander die Straße entlang. Sie trugen helle Uniformen und waren vollständig bewaffnet. Sie ritten so diszipliniert und zielstrebig, dass Roxane Hoffnung schöpfte. Sie kroch aus ihrem Versteck, um die Männer, bei denen es sich anscheinend um Soldaten handelte, die sich noch unter Kontrolle hatten, besser betrachten zu können. Möglicherweise waren sie gekommen, um die Rebellion ihrer Brüder zu unterdrücken. Gerade als sie aus dem Schatten auf die Straße treten wollte, tauchte ein weiterer Reiter auf, der an einem an seinem Sattelknauf befestigten Seil einen toten Soldaten hinter sich herschleifte. Der Mann war blutüberströmt und von Abschürfungen so entstellt, dass man nicht mehr hätte erkennen können, was er im Leben einmal gewesen war, wären da nicht die verräterischen Rangabzeichen eines Offiziers an seiner zerrissenen Jacke und sein sandbraunes Haar gewesen.
Roxane drückte sich rasch an die Mauer und hielt den Atem an. Ein Geräusch hinter ihr ließ sie herumfahren. Ein streunender Hund, mutig geworden durch die merkwürdigen Ereignisse des Tages, fletschte seine gelben Zähne. Roxane hielt immer noch die halb gegessene Frucht in der Hand und schleuderte sie auf das Tier. Direkt an der Nase getroffen, jaulte der Hund auf und lief davon.
Das Jaulen machte einen der Reiter so misstrauisch, dass er sein Pferd herumriss und zurückritt. Roxane hatte sich rasch wieder hinter dem Karren versteckt und beobachtete, wie der Mann vom Pferd stieg und stirnrunzelnd in den Schatten spähte. Sein Pferd, ein wunderschöner, muskulöser arabischer Hengst, zerrte an den Zügeln und zog den Reiter damit zur Seite. Er schrie das Tier an und schlug nach ihm. Intuitiv erkannte Roxane, dass das Pferd nicht ihm gehörte. Als das Pferd herumwirbelte und sich um den Reiter drehte, wusste Roxane mit einem Mal, wessen Pferd das war. Selbst wenn sie das Pferd nicht erkannt hätte, dann hätte es ihr der Sattel mit den aufwendigen, einzigartigen Verzierungen im Leder verraten sowie die polierten Messingbeschläge und die Stelle neben dem Sattelknauf, die vom Lauf von Colliers Gewehr abgewetzt war …
Ihr Herzschlag setzte aus, oder vielleicht hatte er sich so sehr beschleunigt, dass sie keinen Rhythmus, keinen Puls, keinen einzelnen Schlag mehr spüren konnte. Sie hörte nur einen singenden, hohlen Ton, der sich in großer Geschwindigkeit durch ihren Körper bewegte. Der Soldat ließ den Araberhengst frustriert los und verfluchte das Tier mit einer dröhnender Stimme, die von den Mauern der
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