Palast der Stürme
Güte!«, rief er. »Sie haben den Glückspilz also tatsächlich geheiratet! Und, wie ich annehme, hat er Sie bereits zur Witwe gemacht.«
»Nur wenn du mir noch länger medizinische Hilfe vorenthältst, Harry«, erklang eine schwache Stimme aus dem Hintergrund. »Roxane würde dir das wohl nie verzeihen, nicht wahr, mein Liebling?«
Roxane wirbelte herum und fing Collier auf, als er vorwärtsstolperte. Irgendwie gelang es ihr, sie beide aufrecht zu halten. Sein ganzes Gewicht lastete auf ihr, und sie schlang die Arme um seine Taille, um ihn zu stützen. Dann presste sie ihre Lippen gegen sein Ohr.
»Niemals, mein Liebling. Das würde ich ihm nie verzeihen.«
Er lachte leise, und dann streckten sich von allen Seiten helfende Hände aus. Einer nach dem anderen wurde auf ein Pferd in den Sattel hinter einen Soldaten gehoben. Der große, muskulöse Sikh, der Collier zu sich auf sein Pferd gezogen hatte, schien glücklich zu sein, ihn wiederzusehen. Ihm liefen sogar Freudentränen über die Wangen.
Harry gab seinen Männern Befehle und ritt dann an Roxane vorbei. »Versprechen Sie mir, dass Sie uns alles genau erzählen, während Ihr Mann sich erholt«, sagte er. »Rose wird jedes Detail verschlingen.«
Mit Tränen in den Augen versprach Roxane es ihm. In Harry Grovsners Bemerkung lag keine versteckte Andeutung. Es war lediglich die Einladung eines Mannes, der seiner Frau eine Freude machen wollte und glücklich darüber war, eine frühere Bekannte – sie hätte ihn in der Vergangenheit niemals als Freund bezeichnet – gesund und munter wiederzufinden. Ja, Harry war wirklich ein anderer Mensch geworden, wie Roxane dachte, als sie ihre Arme um die Taille des Soldaten vor ihr legte, bevor dieser sein Pferd losgaloppieren ließ.
23
Also, wann hat die Hochzeit stattgefunden?« Roxane saß in Rose’ und Harrys Salon und stützte ihre Ellbogen auf die Armlehnen des Sessels. Sie legte den Kopf zur Seite und kratzte sich an einer gereizten Hautstelle an ihrer Schläfe. Zufrieden lächelnd betrachtete sie Rose, die sich auf dem abgewetzten Sofa ausgestreckt hatte und ihr Baby an die Brust drückte. Ihr Sohn war ein hübsches Kind. Er hatte Rose’ goldfarbenes Haar, perfekt geformte kleine Ohren und die winzigste Nase, die Roxane jemals gesehen hatte. Rose war durch die Mutterschaft aufgeblüht und verhielt sich jedem gegenüber sehr mütterlich, anstatt ständig ihr bisheriges kokettes Verhalten an den Tag zu legen. Sie hatte das Gewicht noch nicht verloren, das sie während der Schwangerschaft zugenommen hatte, aber das stand ihr gut. Außerdem trug sie ihr Haar anders und klimperte nur noch mit den Wimpern, wenn sie ihren Sohn ansah.
»Wir wurden Ende März getraut«, antwortete Roxane.
»Dann warst du damals noch nicht schwanger«, meinte Rose und fuhr sanft mit den Fingern über die honigfarbenen Locken auf dem Kopf ihres Sohns.
Roxane hob leicht die Augenbrauen. Ansonsten sah man ihr nicht an, dass Rose’ Worte sie überrascht hatten. Die Roxane, die sich über eine solche Schlussfolgerung empört hätte, gab es nicht mehr; schließlich wäre es durchaus möglich gewesen, denn Collier war bereits vor der Hochzeitsnacht ihr Liebhaber gewesen. Außerdem erkannte Roxane, dass Rose sie nicht beleidigen wollte. In diesem vertraulichen Gespräch spielte sie höchstens auf die Umstände ihrer eigenen Beziehung an.
»Nein«, erwiderte Roxane. – »Weiß er, dass du schwanger bist?«
Roxane richtete sich langsam auf, griff nach dem Glas Limonade auf dem kleinen Tisch neben ihrem Arm und trank einen kleinen Schluck.
»Ist es denn so offenkundig?«
»Für mich schon.« Rose lächelte. »Und für ein paar andere auch, da bin ich mir sicher.« Sie wickelte eine von Harry juniors Locken um ihre Fingerspitze. »Also weiß er es?«, hakte sie nach.
Roxane atmete tief ein und langsam aus. »Noch nicht«, gestand sie.
Rose verzog leicht das Gesicht und erhob sich vorsichtig vom Sofa. Sie ging durch das Zimmer und legte das Baby in seine Wiege, bevor sie eine leichte Decke über seine schmalen Schultern zog. Roxane folgte ihr und beobachtete, wie Rose dem Baby den Rücken tätschelte und dann seine rosige, weiche Wange mit den Fingern streichelte. Leichter Regen klopfte beruhigend monoton an die Fensterscheibe. Schon bald würde wieder die Sonne scheinen. Die Regenzeit war vorüber.
Rose richtete sich auf, legte die Hände auf den Rücken, verzog das Gesicht und streckte sich.
»So ist es besser«, murmelte sie und
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