Palazzo der Lüste
vertrauensvoll in seine Hände gegeben. Hatte sich von ihm in eine fremde Welt führen lassen, und das hatte ihr gefallen, so gut kannte er sie. Und sie behauptete ihre Zeitreise so hartnäckig.
»Also gut, was sind deine anderen beiden Beweise?«
»Sie sind in Venedig. Jedermann kann sie sehen.«
»Ah, Signora Für-Jedermann-Zu-Sehen«, neckte er sie.
Sie warf einen Kaffeelöffel nach ihm. »Sei doch mal ernst.«
»Das musst du gerade sagen.« Demonstrativ hielt er den Löffel in die Höhe.
»Wenn wir nach Venedig fahren, zeige ich es dir.«
»Noch mehr Löffel.«
»Den Beweis.«
*** Zwei Stunden später waren sie auf dem Weg. Stefanos Alfa glitt sanft schnurrend über die Straßen. Bereits heute Abend würden sie am Ziel sein. Cecilia dachte darüber nach, wie lange man im achtzehnten Jahrhundert mit Pferd und Wagen benötigt hätte. Mehrere Tage, eine ganze Woche?
Sie trug ein dunkelrotes weites Kleid, das eine mutige Verbindung mit ihrem Haar einging und dazu bequeme, flache Stoffschuhe. Obwohl es bereits September war, war es immer noch sehr warm – das Auto verfügte zum Glück über eine Klimaanlage.
Stefano lenkte es mit sicherer Hand auf einen der großen Parkplätze nahe Mestre. Von dort aus nahmen sie ein Linienboot, keine Gondel mit einem Wappen auf dem Rumpf, sondern ein knatterndes Motorboot, auf dem sich die Touristen drängten. Stefano hatte für Cecilia einen Sitzplatz ergattert. Er stand vor ihr, das Gepäck zwischen den Beinen eingeklemmt. Um sich herum hörten sie Englisch, Deutsch, Französisch, Kleinkinder quengelten, und Cecilia wünschte sich einen Fächer, um sich etwas Kühlung zu verschaffen.
»Wo wünscht die Signora abzusteigen? In dem Palazzo, den sie vor zweihundertfünfzig Jahren erworben hat?«, neckte er sie.
Du wirst dich noch wundern, dachte sie und sagte. »In einem gemütlichen, kleinen Hotel.«
Hoffentlich war aus der Casa Capelli kein Hotel geworden, sie hätte es nicht ertragen, ihre Erinnerungen mit Fremden zu teilen.
»Welches?«
»Einfach irgendeines.«
»Ich verfüge nicht über deine intimen Kenntnisse der Stadt.« Seine Stimme hatte immer noch diesen ironischen Unterton, und sie trat ihm auf den Fuß.
Bis das Boot bei San Marco anlegte, schwiegen sie, dann sagte Stefano: »Ich weiß ein Hotel, das dir gefallen wird.«
Er lotste sie geschickt durch die Menge zu einem schmalen Palazzo an einem der Seitenkanäle. Sie betraten das Hotel von der Landseite, und über dem Eingang spendete eine fröhlich rot-weiß gestreifte Markise Schatten.
»Wer kennt sich angeblich in Venedig nicht aus?«, schmollte Cecilia mit demonstrativ vorgeschobener Oberlippe. »Mit wie vielen Freundinnen warst du hier?«
»Mit Unzähligen.« Tatsächlich war er erst einmal als Zwölfjähriger mit seinen Eltern hier gewesen. Aber da Cecilia nicht von ihrem Märchen ablassen wollte, in Venedig gelebt zu haben, gefiel es ihm, sie zu necken.
Sie kniff ihn dafür in den Hintern.
Stefano buchte ein Doppelzimmer in der dritten Etage, das sie über verwinkelte, schmale Treppen erreichten. Das Zimmer war großzügiger geschnitten, als es das Haus vermuten ließ. Es hatte vergoldeten Stuck an der Decke und Seidentapeten an den Wänden. Der Schrank und eine Spiegelkommode waren alt, die restlichen Möbel auf Antiquität getrimmt. Trotzdem wirkte das Zimmer gemütlich, und das Bett war eine große Spielwiese.
Sie ließ ihre Tasche auf die Erde fallen und lief zum Fenster. Ein Gewirr von Dächern und Kanälen, die kaum breiter als ein Unterarm zu sein schienen, erstreckte sich vor ihren Augen. Das war Venedig, wie sie es kannte.
»Willst du mir gleich deinen Beweis zeigen, oder wollen wir uns erst ein bisschen ausruhen?« Dabei schaute Stefano vielsagend aufs Bett.
»Gleich die Beweise und danach ausruhen.«
*** Die Casa Capelli San Benedetto war nicht schwer zu finden. Cecilias Füße trugen sie wie von selbst dorthin. Das Haus war kein Hotel geworden, es war in sechs Wohnungen aufgeteilt, wie die Klingeln neben dem Hauseingang verrieten. Der Eingang war neu. Die runde Treppe gab es zwar noch, aber sie schien keine Bedeutung mehr zu haben, denn auf ihren Stufen lag Staub. An keiner der Klingeln stand der Name Capelli. Cecilia zögerte vor der Tür.
»Was ist?«
»Der Beweis ist in diesem Haus.«
»Dann gehen wir rein.«
»Ich kann doch nicht einfach klingeln und sagen, ich möchte ins Haus.
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