Palazzo der Lüste
wäre zu erwarten, dass er sie durch den Haupteingang betrat. Wahrscheinlich hat er mir etwas vorgespielt, um sich wichtig zu machen, dachte Cecilia. Er ist eben nur ein Angestellter und darf die Villa nur durch den Dienstboteneingang betreten. Vielleicht wohnt er nicht einmal dort, sondern ist der Jagdaufseher und hat ein kleines Häuschen versteckt zwischen den Bäumen. Das wäre auch nicht schlecht, redete sie sich ein, dennoch war sie enttäuscht – sie hätte die Villa gerne von innen gesehen.
»Wir reiten gar nicht zum Haus.« Die Enttäuschung war ihrer Stimme anzuhören.
»Doch, doch, Donna Cecilia. Ich bringe Sie zu einem Seiteneingang. Es soll nicht gleich jeder wissen, welch kleinen Vogel ich im Wald gefunden habe. Ich bin wirklich der, für den ich mich ausgegeben habe, und dieses Haus gehört mir.« Seine Stimme troff vor Ironie.
Er trieb das Pferd zu einem leichten Trab. Cecilia hüpfte hinter ihm auf und nieder und landete jedes Mal schmerzhaft auf dem Steißbein. Das machte er extra, um ihr zu zeigen, dass er der Herr war. Sie wollte sich beschweren, aber sie hatte genug damit zu tun, auf dem Pferderücken zu bleiben.
Gegen ihren Willen musste sie sich auch eingestehen, dass er recht hatte. Solange ihre Lage so prekär, und sie in diesem Aufzug war, kam sie besser niemanden unter die Augen. Das brachte sie aber nicht dazu, günstiger von ihm zu denken. Er war eingebildet und hochnäsig.
Der Park setzte sich hinter der Villa fort. Ein großes Wasserbassin schloss an eine breite Terrasse an, die die ganze Breite des Mittelgebäudes einnahm. Das Bassin war bestimmt einhundert Meter lang, schätzte Cecilia. Am anderen Ende des Parks stand ein weiteres Gebäude, dessen Portikus sie an einen antiken Tempel erinnerte. Dorthin lenkte Capelli den Schimmel. Er parierte ihn zum Schritt, als sie den Hof erreichten.
»Das sind die Ställe«, erklärte er.
»Auch von Palladio entworfen?«
»Eher von einem seiner Schüler. Der Meister selbst hat sich mit so ordinären Gebäuden nicht abgegeben.«
Vor dem Stall gab es einen gekiesten Hof. Die Pferdehufe knirschten auf dem Kies, als der Schimmel auf eine der Stalltüren zustrebte.
Das Geräusch rief einen Stallburschen herbei. Er verneigte sich vor seinem Herrn und tippte mit den Fingern an die Mütze, bevor er nach den Zügeln griff. Wenn er Cecilias Gegenwart und ihren Aufzug merkwürdig fand, zeigte er es jedenfalls nicht.
»Kümmere dich gut um das Pferd und zu niemandem ein Wort.« Capelli warf ihm eine Münze zu, die der Bursche geschickt auffing und in den Falten seines nicht ganz sauberen Hemds verschwinden ließ.
Er trabte mit dem Pferd über den Hof, und Cecilia machte sich am Arm ihres Begleiters auf den Weg zurück zur Villa. Wieder wählte er einen Seitenpfad zwischen gestutzten Buchsbaumhecken hindurch, auf dem sie vom Haus aus nicht gesehen werden konnten. Sie stützte sich auf seinen Arm und stakste auf spitzen Absätzen neben ihm her. Mehr als einmal knickte sie um, und hätte er sie nicht gehalten, wäre sie auf dem Weg gestürzt – die High Heels waren nicht für längere Wege geeignet. Ihre Ungeschicklichkeit hob ihre Laune nicht.
Nicolò Capelli bemerkte ihre Verärgerung, und es amüsierte ihn. Er hielt ihren Arm fester und betrachtete ihr gerötetes Gesicht. Es bildete einen reizvollen Gegenpol zu ihrem roten Haar. Sie sah aus wie ein teuflischer Engel – genau das gefiel ihm an einer Frau. Sie versprach mehr Abwechslung im eintönigen Landleben, als eine Jagd es je könnte. Er würde sie in der Villa behalten und sie lehren, seinem Vergnügen zu dienen.
Faszinierend diese Schuhe – wie sie neben ihm herstakste. Er musste unbedingt herausfinden, wo so etwas in Mode war. Unwillkürlich musste er lächeln
»Da gibt es nichts zu lachen«, fuhr sie auf.
Sofort verbannte er das Lächeln aus seinem Gesicht, amüsierte sich aber nur umso mehr über sie.
*** Sie betraten die Villa durch eine schmale Tür neben einer von der Terrasse in den Park führenden Treppe, der Flur dahinter war düster, eng, und roch frisch gekalkt. Licht erhielt er durch etwa halbmeterhohe schmale Schlitze. Aus einer Nische neben der Tür nahm Nicolò Capelli eine Kerze. Für einen Augenblick konnte sich Cecilia des Eindrucks nicht erwehren, es sei Stefano, der mit einer Kerze in der Hand vor ihr in seinem Atelier stand. Als er mit einem spöttischen Zug um den Mund vor ihr den Kopf neigte und sich
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