Palazzo der Lüste
werden Sie eine neue Mode kreieren. Daria Loredan, die jüngste und hübscheste Schwester des Dogen wird erblassen vor Neid.«
»Ich will nicht nach Venedig.«
»Nun, nun, Venedig hat vielleicht nicht mehr die Bedeutung, die es noch im Cinquecento hatte, aber es ist immer noch sehenswert. Kommen Sie zunächst mit mir in die Villa Capelli.« Er bot ihr seine Hand, nachdem sie den Fuß endlich im Steigbügel hatte, und zog sie hinter sich auf den Pferderücken. »Halten Sie sich an mir fest.«
Im Schritt setzte sich das Pferd in Bewegung. Cecilia wurde kräftig durchgerüttelt. Das Gras war wunderbar weich gewesen im Vergleich zu den harten Muskeln des Pferdes. Sie musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht zu schreien, und sich an den Hüften ihres seltsamen Begleiters festklammern, sonst wäre sie zu Boden gerutscht.
Der Wald war urwüchsiger als sie je gesehen hatte. Die Bäume standen so dicht, dass das Pferd kaum zwischen den Stämmen hindurchpasste. Moos und Pflanzen hingen wie Bärte von den Ästen, wiederholt streiften sie Cecilias Kopf. Wie fand er seinen Weg? Sie duckte sich hinter ihm und kuschelte ihren Kopf an seinen Rücken.
»Sie haben von der Jagd gesprochen.«
»Genau, aber die Jagd langweilt mich. Durch die Gegend zu galoppieren und einem Hirsch nachzusetzen – nur ein primitiver Charakter kann daran Vergnügen finden. Ich habe die Jagdgesellschaft verlassen und hörte wenig später Ihre Rufe«, plauderte er, während er mit sicherer Hand das Pferd um die Bäume lenkte, »und wollte sehen, ob ich etwas finde, was einen Zeitvertreib lohnt. Mit jemand wie Ihnen hätte ich mein Lebtag nicht gerechnet.
»Mit einem Bauernmädchen?«
»Schon eher, aber die sind alle so unsäglich bäuerisch.«
Cecilia konnte nicht feststellen, ob er erfreut oder gelangweilt von ihr war.
Der Wald endete abrupt und gab den Blick auf einen gepflegten Park inmitten von Weingärten frei. Im Park erhob sich eine zweigeschossige Villa, wie Cecilia noch nicht viele in ihrem Leben gesehen, geschweige denn betreten hatte. Sie war aus hellgelben Steinen erbaut mit einem aufwendig verzierten und von vier Halbsäulen gestützten Giebel über dem Mittelbau. Rechts und links schlossen sich Seitenflügel an, und vor jedem befand sich eine zweigeschossige Arkade. Diese Seitenflügel endeten in Quergebäuden, die dem Mittelbau ähnlich, aber weniger aufwendig verziert waren. Dass jemand tatsächlich in solch einer Villa wohnen sollte, konnte sie sich kaum vorstellen.
Im Schritt ritten sie auf das Haus zu, nicht auf der zum Hauptportal führenden Allee, sondern auf einem seitlich davon gelegenen Pfad.
»Diese Villa gehört wirklich Ihnen?«, konnte Cecilia sich nicht zurückhalten zu fragen.
»Andrea Palladio hat sie um 1560 herum geplant. Mein Vorfahre Francesco Capelli hat ihm leider ins Handwerk gepfuscht. So hat der Mittelbau einige gestalterische Schwächen.« Capelli zuckte mit den Schultern.
Cecilia spähte um seine Schulter herum zur Villa. Mit Architektur hatte sie sich in ihrem Studium nicht beschäftigt, dennoch war ihr Ehrgeiz geweckt, die angeblichen Schwächen zu entdecken. Sie bildete sich ein, ein gutes ästhetisches Empfinden zu besitzen. Es dauerte dann auch nicht lange, bis sie glaubte, eine davon gefunden zu haben.
»Die Säulen. Sie stehen zu weit auseinander, um noch angenehm proportioniert zu sein.«
»Sie haben ein gutes Auge, Donna Cecilia«, lobte er sie.
Beinahe hätte sie ihm von ihrem Studium der Kunstgeschichte erzählt. Die Worte lagen ihr auf der Zunge, im letzten Moment schluckte sie sie hinunter. Soweit sie wusste, war Kunstgeschichte im achtzehnten Jahrhundert kein Studienfach.
»Die schönen Dinge des Lebens sind mir wichtig«, sagte sie deshalb und schaute weiter mit zusammengekniffenen Augen auf die Villa Capelli. »Da stimmt etwas mit den Fenstern im zweiten Stock nicht. Die oberen Giebel stoßen ans Gebälk. Gefälliger fürs Auge wäre ein Abstand von etwa einem halben Meter.«
»Schon wieder bravo. Sie haben es entdeckt, und das ist der unumstößliche Beweis dafür, dass Sie keine Bauernmagd sind. Der wären die Fehler niemals aufgefallen.«
Er hatte sie getestet, als wäre sie ein kleines Dummchen, dem man nicht trauen konnte. Beleidigt schwieg sie.
Sie kamen an einem Querweg vorbei, der den Seitenpfad mit der Prachtallee verband. Capelli ließ den Weg links liegen. Offenbar gehörte ihm die Villa doch nicht. Sonst
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