Palazzo der Lüste
unmöglich, aber seine Männlichkeit war überwältigend. Sie schaffte es einfach nicht, wütend auf ihn zu sein. Außerdem war es auch deshalb unmöglich, weil er recht hatte – in dieser Zeit gab es keinen Ort, wo sie hingehen konnte.
»Wenn … wenn«, sie leckte sich über die Lippen und befingerte die Trauben auf dem Teller, »vielleicht kann ich für Sie arbeiten. Irgendetwas.«
Warum fiel es ihr so schwer, das zu sagen? Schließlich strebten die Frauen ihrer Zeit nach Arbeit, wollten ihr eigenes Geld verdienen und unabhängig sein. Lag es daran, dass sie sich Nicolò Capelli nicht als Arbeitgeber vorstellen konnte, sondern nur als etwas ganz anderes?
»Arbeit?« Capelli hörte sich an, als wüsste er nicht, was dieses Wort bedeutete.
»Nun ja … ich kann vieles.« Schießen, gelehrt über Kunst plaudern, Judo, reiten, mit dem Computer umgehen und im Internet surfen, Auto fahren. Alles Dinge, die in dieser Zeit nicht von Nutzen waren. »Als … als Magd vielleicht.«
»Womöglich in der Küche.« Er ging um das Ruhesofa herum, eine Hand ließ er dabei auf der Lehne liegen. Als er sich neben sie setzte, hatte sie das Gefühl, als würde er sie umarmen. Stattdessen nahm er eine Strähne ihres Haares, wog sie in der Hand. Wenn er doch nur seine Finger in ihren Nacken legen und sie an sich ziehen würde. Er ließ ihr Haar wieder los, nahm den Arm von der Lehne und sprach weiter: »Können Sie kochen, Donna Cecilia?«
Kochen! Sie konnte sich ernähren, aber so kochen, dass es für seine Tafel reichte – sicher nicht.
»Ich fürchte nicht.«
»Also nicht die Küche. Haben Sie noch andere Vorschläge?«
Seine Nähe war berauschend. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen und rückte von ihm ab, soweit das Ruhebett es zuließ.
»Ich könnte etwas anderes tun.«
Beispielsweise könnte ich dir erzählen, was die nächsten 250 Jahre passiert, schoss es ihr durch den Kopf, über das Ende der Löwenrepublik, die Einheit Italiens, zwei Weltkriege, Mussolinis Faschismus, dass man im einundzwanzigsten Jahrhundert im Flugzeug in ein paar Stunden um die ganze Welt reisen konnte. Aber war es einem Zeitreisenden nicht verboten, sein Wissen preiszugeben und die Zukunft zu verändern, die für ihn Vergangenheit war? Sie kannte sich mit den Gesetzen bei Zeitreisen nicht aus, außerdem schätzte sie ihn so ein, dass er daran übermäßig interessiert war. Was konnte sie im Jahre 1754 tun, um Mussolinis Faschismus zu verhindern? Ihr fiel nichts ein. In Romanen fand sich in solchen Situationen immer eine bequeme Arbeit wie Bücher katalogisieren, das Archiv ordnen … Das könnte sie …
Zögerlich begann sie. »Ich … ich könnte Ihre Bibliothek ordnen, eine Bestandsaufnahme machen.«
Sein Lachen unterbrach sie.
»Oh, ich sehe Sie zwischen staubigen Büchern herumkriechen. Die meisten sind übrigens nicht hier, sondern in der Casa Capelli in Venedig, und alle sind wohl geordnet.«
Das also auch nicht. Was konnte sie noch tun? Langsam bekam Cecilia den Eindruck, er wollte gar nicht, dass sie blieb. Ihr Mut sank. Sie fühlte seinen Blick auf sich ruhen, rückte noch ein winziges Stück von ihm fort und machte sich klein.
»Wenn ich einen Vorschlag machen dürfte.« Er wartete ihre Zustimmung nicht ab, sondern sprach sofort weiter. »Ich gebe Sie als eine entfernte Verwandte aus. Die Witwe meines verstorbenen entfernten Cousins, die sich von diesem schweren Schicksalsschlag erholen muss. Auf diese Weise können Sie offen in meinem Haus leben.«
Im Haus eines unverheirateten, jungen Mannes.
»Das geht doch nicht.« Sie sprach die Worte ohne nachzudenken aus. »Sie haben doch keinen toten Cousin.«
»Ich habe weder einen toten noch einen lebenden Cousin. Für unser Spiel denke ich an einen beinahe verschollenen Zweig unserer Casa und auch beinahe vergessen, wenn Sie nicht gekommen wären. Aus Alexandria vielleicht. Genau, mein Verwandter hat dort einen Handel betrieben mit … mit …« Er schnippte mit den Fingern und überlegte.
»Datteln.« Das war das erste, was Cecilia einfiel und aus Ägypten stammte.
»Dattelhändler, also wirklich. Kein Capelli würde sich jemals dazu herablassen. Wir müssen etwas Besseres finden.«
Er sagte schon Wir. Das konnte er alles nicht ernst meinen, aber es war ein schönes Spiel und lenkte sie von ihren Sorgen ab. Also ging sie zunächst auf seine Vorschläge ein.
»Wie wäre es mit einem Forscher, der nach
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