Palazzo der Lüste
wenn auch altertümlich – er musste ein Schauspieler sein. Es war alles eine Farce, und sie würde sich nicht länger davon ängstigen lassen. Cecilia richtete sich stolz auf und sah dem frechen Burschen ins Gesicht. Er registrierte ihre veränderte Haltung mit einem beifälligen Nicken.
»So ist es schon besser. Sie müssen keine Furcht vor mir haben, Signora. Ich schände keine Frauen auf sonnenüberfluteten Waldlichtungen, da kann ich mir raffiniertere Orte vorstellen.« Beim Lächeln entblößte er zwei Reihen ebenmäßiger, weißer Zähne und sah auf einmal gar nicht mehr hochnäsig aus. »Aber verzeihen Sie, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Nobilhomo di Venezia Nicolò di Paolo Capelli San Benedetto, und Sie befinden sich auf meinem Land.«
Cecilia glaubte immer weniger an den Streich einer Fernsehsendung, es war etwas anderes im Gange, und sie war versucht, sich vor dem Mann zu verneigen. Er wirkte zu echt, um ein Schauspieler zu sein. Es kostete sie einige Willensanstrengung, es nicht zu tun, aber bevor sie die Lage nicht restlos aufgeklärt hatte, würde sie niemandem nachgeben.
»Ich danke Ihnen, Signore.« Oder sollte sie ihn mit Nobilhomo di Venezia anreden? Sie kannte sich nicht aus damit, und das ließ sie sich ihm unterlegen fühlen. Verzagt stellte sie sich vor: »Mein Name ist Cecilia Barbagli.«
»An der stolzen Haltung Ihres Kopfes sehe ich, dass Sie keine Bauernmagd sind, Signora Barbagli. Ihr Aufzug mag ungewöhnlich sein, aber Sie sind eine Dame. Ich heiße Sie auf meinem Land willkommen.« Er stand jetzt dicht vor ihr und streckte eine Hand aus, als wollte er sie mit einem Handkuss begrüßen. Stattdessen griff er nach dem goldgefassten Stein, der an einem der Ringe ihres Halsbandes hing. Er drehte ihn mit seinen langen Fingern und berührte dabei die Haut ihres Halses. Cecilia rührte sich nicht, aber ihre Haut begann zu prickeln. Schließlich ließ er die Hand wieder sinken, knöpfte stattdessen seinen Rock auf.
»Es ist wohl nicht möglich, Sie angemessen zu begrüßen, solange Sie so … so … wenig bedeckt sind.« Er zog den Rock aus und hielt ihn ihr hin. Darunter trug er eine cremefarbene Weste, Ton in Ton bestickt mit Blütenranken, und ein weißes Hemd mit Manschetten aus Spitze. Die gleichen Spitzen befanden sich auch an seinem kompliziert gebundenen Halstuch. Es sah geschmackvoll und edel aus, obwohl sie bei jedem anderen Mann gesagt hätte, seine Aufmachung sei weibisch – zu diesem Nobilhomo passte sie.
Ohne eine Antwort abzuwarten, legte er ihr den Rock um die Schultern. Der reichte Cecilia bis über die Knie, der Stoff fühlte sich überraschend weich an. Aufatmend schlüpfte sie in die Ärmel und knöpfte ihn zu. Als ihre Blöße bedeckt war, fühlte sie sich ihm beinahe ebenbürtig. Ihre Gedanken hörten auf, wild durch ihren Kopf zu kreisen. Sie spürte auf einmal, wie spröde ihre Lippen, und wie groß ihr Durst war. Sie befeuchtete die Lippen mit der Zunge und hatte keinen Gedanken dafür, wie verführerisch sie dabei aussah.
Der edle Venezianer sah es sehr wohl. »Tut das nicht, Donna Cecilia, sonst vergesse ich meine guten Vorsätze über Waldlichtungen und das Schänden von Jungfrauen.«
»Sie brauchen sich nicht zu bemühen, Signore Capelli, ich bin keine Jungfrau mehr.«
Sie war selbst erschrocken über ihre kühnen Worte, aber ihm entlockten sie ein Lachen.
»Eine mutige Dame sind Sie. Ich glaube, ich werde Freude an Ihnen haben.«
»Sie werden nichts an mir haben, denn ich werde nicht hierbleiben.«
»Wo wollen Sie hingehen?« Das Lachen verschwand aus seinem Gesicht. Es zeigte wieder den üblichen hochmütigen Ausdruck.
Cecilia ließ sich nicht einschüchtern. »Nach Hause.«
»Wo ist das?«
»In …«, sie stockte. »Wo bin ich hier?«
»Auf den Ländereien, die zur Villa Capelli gehören, zwischen Lonigo und Cologna Venete in der Terraferma. Ich halte mich dort mit Freunden zur Jagd auf.«
Venetien also. Wie kam sie hierher? Tres Orizzontes lag in der Nähe von Livorno, sie wohnte in Livorno, auf der anderen Seite Norditaliens, mehrere hundert Kilometer entfernt.
»Sie scheinen verwirrt, Signora. Wohin wollen Sie also gehen in diesem Aufzug? Sie werden nicht weit kommen, höchstens bis zur nächsten Trattoria. Dort werden Sie für eine Dirne gehalten und wie eine solche behandelt werden. Wenn das Ihr Wunsch ist.« Bei diesen Worten sah er überaus arrogant
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