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Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Timmermans
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schlafenden Welt stand.
    Der Mond war nun so rein wie Kristall, und sein Licht, das auf die Erde und um die Sterne schien, war von einem milchigen, dünnen Grünblau. Es war nun überall so hell wie an einem trüben Tag, und auf allen Seiten sah man die Pappeln ragen, das Korn glänzen und die schlafenden Kühe auf den Weiden liegen. Im Park sah man deutlich die roten Buchen und grünen Platanen, und wie ein Licht erhob sich in der Mitte eines offenen Platzes auf einem efeubewachsenen Sockel das weiße Standbild einer armlosen Venus. Leichter Nebel trieb über den Bächen.
    Sie gingen vom Deich hinunter, an einer Wiese entlang, wo hier und da eine Kuh schlafend lag oder mit dummen Augen nach dem Mond oder über die nächtliche Landschaft blickte. Und dann kamen sie auf die Wiese mit den zahllosen Heuhaufen, die schön vom Mondlicht übergossen waren. Sie wanderten durch die feinen Düfte des Heues, und ihre aneinandergeschmiegten Leiber waren ein Schatten auf dem abgemähten Gras. Der Mond wanderte mit in einem kleinen, vollen Bächlein.
    »Komm, wir wollen uns hinsetzen.«
    Und sie ließen sich in einen dicken Heuhaufen sinken, nahmen einander in die Arme, wühlten sich tiefer in das Heu, wie in eine Höhle, und Pallieter streckte die Beine vor Wohlbehagen. Sie legte ihr Köpfchen in die Molligkeit seiner breiten Schultern, und so saßen sie da zusammengekauert wie zwei junge Kaninchen.
    »Eine heilige Nacht«, sagte er still und sah zum Himmel auf, der von oben bis unten voll von Mondschein und bleichen Sternen war. Die Sterne! Sie lagen ringsum zerstreut wie weißer Sand, hier und da zusammengerafft wie Haar, und einige hellglitzernd und zitternd vor Klarheit.
    Alle Tiefen des Himmels waren geöffnet, und wie dünner Weihrauch lief die Milchstraße darüberhin.
    Und aus dieser lichten, regungslosen Unendlichkeit von Welten schoß dann und wann das kurze Leben eines fallenden Sternes. Pallieter war tief ergriffen davon, und seine Augen wanderten von einem Sternbild zum anderen: vom Großen Wagen nach dem Orion, vom Polarstern nach den Drei Königen und so fort; er suchte die fernsten Sterne und dann die, die noch dahinter lagen, fein wie eine Nadelspitze, und als seine Augen keine Sterne mehr trafen, nur noch den reinen Nebel der großen Weltenmutter, da taten es seine Gedanken. Hei! Sterne, Sterne überall! Sterne oben, Sterne unten, um und unter ihm... Pallieter kroch in sich zusammen und sagte unwillkürlich: »Warum?«
    Und auf einmal trug er, wie aus ihm selbst gewachsen, die unendliche, besternte Tiefe des Raumes in seinem Herzen, so daß er eine Gänsehaut davon bekam, und er sagte mit einem Seufzer:
    »O Samen Gottes, du machst mich beben... Mariechen, Mariechen, blick auf...«
    Aber Mariechen schlief ruhig in seinen Armen.
    »Dieses Glück!« sagte er sogleich. Er fand es auch so schön, so rein und eins mit der friedevollen Nacht, und eine plötzliche Zärtlichkeit stieg in ihm auf. Er gab ihr einen federleichten Kuß vor Bewunderung und Rührung. Es war zu schön und zu innig, um es zu stören, und er erleichterte vorsichtig die Lage seines Fußes über ihrem Bein, um ihr nicht weh zu tun.
    Er zog frische Düfte in die Nase, und der Mond bedeckte zwei nacheinander verlangende Sterne.
    Und siehe, durch den blanken Himmel zog noch ein einsames, weißes Wölkchen. Es kam zögernd vorwärts, und es war, als würde es vom Monde angezogen. Es segelte gerade unter ihm vorbei, und siehe, sofort glitten dünne rosige, grüne und lila Farbentöne darüberhin, und es war wie ein zusammengezogener Regenbogen, der am Mond vorbeizog. Aber es glitt weiter, verlor die süßen Töne plötzlich wieder, wurde weiß und schob sich zögernd fort, allein durch die Nacht. Wie ein Lächeln der Nacht war es gewesen.
    Die ferne Nachtigall spann ihre Klänge weiter, und hier und da quakte ein Frosch in den Bächen.
    Die Nacht wurde immer heller; der Nebel stieg dichter aus den Gräben und dampfte aus dem Boden.
    Die unendliche Stille brauste, und es war, als ob man die Mondstrahlen scheinen hörte. Das Gras war feucht und rührte sich nicht.
    Und unwillkürlich, in Schlaf gewiegt durch die Stille und den Atem der Nacht, schloß Pallieter die Augen, sah noch
    durch die geschlossenen Lider die Klarheit des Mondes, der vor ihm stand und ihn völlig übergoß, und fiel dann in einen tiefen Schlaf.

     
    Die große Nacht verrichtete ihr Werk und erfüllte allmählich ihre Zeit. Sterne fielen, andere zogen weiter, und der Mond

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