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Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Timmermans
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von Mecheln.

     
    Pallieter rieb sich die Hände und genoß den Geruch der Erde, auf die es seit Tagen und Tagen geregnet hatte und die nun in dem gesunden Wind wieder fest und fettig wurde.
    Und die Wege wurden trocken und hart, ein Hahn krähte, Tauben flogen, und Pallieter sagte: »Es is ein heiliges Wetter!« Und so von einem Weg auf den andern wandernd, hörte er plötzlich irgendwo Drehorgelmusik.
    Es klang wie ein gläsernes Klavier, wie Schläge auf kristallne Flaschen. Das tat ihm so wohl und war so herrlich an diesem überraschenden Tag, daß Pallieters Herz aufsprang vor Freude. Und er lief darauf zu.
    Es mußte hinter der Landstraße herkommen. Er lief schneller. Hinter der Landstraße und einer Gruppe von Pappelbäumen standen sich ganz allein zwei Reihen Arbeiterhäuschen gegenüber. Als Pallieter dahin kam, war kein Mensch zu sehen, nur zwei Kinder, die im Schlamm spielten.
    Aber siehe! dahinten kamen eine magere, schwangere Frau und ein rothaariges Mädchen mit einer Drehorgel herangezogen. Als sie an den Häusern waren, blieben sie stehen. Die Frau faßte den Griff, und wahrhaftig, schnell und eilig, wie um die Wette, klopften helle Klänge das sonst so langsame Lied: »Kennst du das Land?« Und siehe da, die schmutzigen Gardinchen wurden beiseite geschoben, Türen gingen auf, und heraus kamen Frauen mit und ohne Kinder auf dem Arm. Sie knöpften die offenen Blusen hastig zu und strichen sich das Wuschelhaar zurück. Die Gesichter verklärten sich, und die eine rief der andern ein Scherzwort zu. Sie schoben sich zur Tür hinaus und stellten sich in ein Trüppchen zusammen. Ein Haufen schmieriger Kinder stand neugierig um die Orgel herum, und ein kleines, mageres Kerlchen von Schneider, nach den weißen Heftfäden zu urteilen, die ihm an Hose und Jacke hingen, lief in Strümpfen mitten auf die Straße, schwenkte die Arme, schlug sich auf die Schenkel und gab ein Tänzchen zum besten. Die Weiber lachten laut auf. Sofort faßten zwei Mädchen sich an und begannen sich zu drehen, daß die Röcke sich aufblähten zu runden Glocken. Das war der Anstoß, und auf einmal war alles, was Beine hatte, beim Tanzen. Die Mütter trugen rasch ihre Kinder in die Wiege zurück oder stopften sie irgendeinem Rotzjungen in den Arm und tanzten mit. Die schwangere Frau lachte, daß ihr dicker Bauch wackelte. Pallieter sah mit glücklichem Lachen zu. Das rothaarige Mädchen ging mit einem verrosteten Teller herum, und alle gaben einen Pfennig oder zwei. Und die Frau spielte ,Die lustige Witwe’, ,Die Wacht am Rhein’ und den Walzer aus ,Faust’. Aber da trieb und stieß ein Polizist die Kinder beiseite und befahl der erschrockenen Frau in barschem Ton: »Hier wird nicht gespielt, erst auf dem Amt anfragen, vorwärts, marsch!«

     
    »Aber man darf hier doch Orgel spielen, soviel man will«, sagte Pallieter.
    »Ja, wenn sie kein Geld nimmt.«
    »Nun gut, sie wird keins nehmen«, rief Pallieter dem Polizisten zu und sagte zur Frau, während er ihr zwei Franken zusteckte: »Leiht mir Eure Orgel ein Viertelstündchen, ich nehm kein Geld, ich kann also spielen! Los! Auf zum Tanz! Ich werde schon drehen, denn das gute Wetter muß man ausnützen. Hopp!« Und er packte den Griff fest und drehte ihn, daß das Orgelchen beinah davon zersprang!
    Die Frauen walzten wieder und die Kinder mit.
    Pallieter war glücklich, und mit lauter Stimme sang er die Weise von dem lustigen Lied.

 
     
     

Schnee
     
    P allieter blickte jeden Augenblick zum Himmel auf, um da Wolken zu entdecken, die Schnee streuen sollten. Schnee, weißen, reinen Schnee, der uns das kahle Antlitz des Winters freundlicher erscheinen läßt, der alles weiß macht und die ganze schwarze Erde verjüngt.
    Nein, er kam nicht, der Schnee. Ganze Tage lang zogen dünne Wolken über den Himmel, vorwärts gepeitscht vom scharfen Nordwind, der die schnelle Nethe, die überschwemmten Wiesen und die Gräben hatte zufrieren lassen mit fünf Finger dickem Eis. Das war eine Lust! Ein Fest für Pallieter und Mariechen, dies glänzende, glatte Eis, auf dem sie sich stundenweit wiegten und streckten, sich frei fühlend wie die Vögel.
    Jeden Morgen waren die Fenster mit seltsamen Eisblumen übersponnen, aber der Kern des Winters, der Schnee, der gute, friedliche Schnee, der saß irgendwo am Nordpol und regte sich nicht.
    Pallieter lechzte danach, wie ein Kranker nach mildem Wetter. Er sagte: »Ein Winter ohne Schnee is wie ein Sommer ohne Sonne ...«
    Aber in der Nacht vor

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