Pallieter
Suppe«, antwortete Pallieter ruhig. Er gab Beiaard die Peitsche, und schneller fuhren sie durch die Felder.
Aber Charlot hielt den Mund nicht mehr und wollte zu Fuß nach Haus.
»Je mehr du jammerst,« rief Pallieter, »desto schneller fahren wir. Du mußt mit!«
»Gut, ich werde schweigen von der Suppe«, sagte Charlot gelassen, aber sie fügte bissig hinzu:
»Aber dran denken tu ich doch ...«
Nach einer Weile kamen sie an den Fichtenwald und an die Heide, die am Nordufer der Nethe so plötzlich beginnt, während sich nach Süden hin Brabants fette Felder erstrecken. Hei, der Fichtenwald im Winter! Wie schön und heilig feierlich war es hier! Die Fichtenbäume, die sozusagen ihre breiten Arme gebeugt ausbreiteten, um den Schnee aufzunehmen. Und wo sie zusammenstanden und Wälder, unendliche Wälder bildeten, wo nichts anderes zu sehen war wie beschneite Erde und beschneite Fichtenbäume, da fühlte man sich wie in einer Kirche. In dieser regungslosen, ungeahnten Stille war es wie zum Beten! Manchmal hielten sie an, und alle drei, lauschend auf die Stille, die den Wald umfing, waren dann so klein im Herzen, und so voller Ehrfurcht, daß sie unwillkürlich nicht weiterzufahren wagten, bis ein Vogel aus der weißen, stillen Tiefe des Waldes auflachte oder Beiaard ihre Schellen klingen ließ.
Diese singenden Schellen, wenn Beiaard lief! Das war ein großes Tönefest über die stille, beschneite Heide. Es war, als ob überall Schellen klingelten; der klirrende Silberklang lief über die weiße weite Ebene, blieb im Walde hängen und taumelte und regnete aus den Bäumen. Die Kronen waren erfüllt davon. Das weiße Land sang.
Sie erblickten auf dem ganzen Weg nur ein altes Frauchen im schwarzen Kapuzenmantel, das mit einem Bündel Reisig auf eine ferne, kleine Hütte zuhumpelte. Überall, wo sie gegangen war, klafften ihre Fußspuren im Schnee. Es war wie eine punktierte Linie, die in großem Bogen vom Walde her hinter dem Weiblein herlief.
Wie genossen sie das Schlittenfahren, das Gleiten über den weichen, molligen Schnee, umringt von weißem Weiß, Schellengeklingel und heiliger Stille! Es war ein Fest! Es rührte an die Seele!
Und Pallieter stand auf, stand aufrecht vor übermäßigem Glück, und manchmal ließ er hundertfaches Peitschenknallen bis an den fernen Horizont rollen oder sang eine Strophe von einem mächtigen Lied.
Lubas lief voraus und bellte die großen Krähen an. Schließlich kamen sie in ein Dorf und hielten vor dem Gasthaus ,Zum Schwan’. Sie gingen hinein und tranken einen Schnaps.
Beiaard, die mit dem Schlitten am Tor stehen blieb, ließ etwas fallen, und sofort waren die zwitschernden Spatzen mit wühlenden Schnäbeln in den frischen Pferdeäpfeln.
Es war still im Dorf, das einen Kreis um das kleine, aber hochtürmige Kirchlein bildete. Das Kirchlein aus roten Steinen mit weißen Balken stand lieblich anzusehen mittendrin, mit seiner weißen Kapuze und den beschneiten Schallöchern. Überall war es ganz still, die Lebenden waren so gut vergessen wie die Toten, deren schwarze, schiefe Kreuzlein neben der Kirchhofsmauer nur gerade noch aus dem Schnee herausguckten.
Die Uhr summte zehn Schläge durch die Luft, und die Töne klangen weit weg über die Dächer und die Felder.
Pallieter wollte von dort oben die Felder sehen. Während die Frauen um den glühenden Ofen saßen und mit der Wirtin über den strengen Winter plauderten, suchte Pallieter den Küster, einen Schuster mit einem Holzbein. Es kostete viele Mühe, bis der Mann einwilligte, aber das Geld siegte. Sie kletterten beide die kalte, steinerne Wendeltreppe hinauf, krochen durch dumpfiges Gebälk an den zwei Glocken vorbei, die durch die Schallöcher beleuchtet wurden. Durch die Latten sah Pallieter die weiße Welt tief unter sich, beschneite Gehöfte, Wälder, und weit in der Ferne andere Kirchtürme. Aber er wollte noch höher, und ganz oben in der steilen Spitze riß er ein hölzernes Türchen auf, und Gott! die Erde öffnete ihre Seele.
Gerade unter ihm lag wie eine kleine Schüssel das Dorf, mit seinen durch Buchsbaumhecken getrennten Gärtchen und der einen Straße, die ins freie Feld führte, das sich stundenweit weiß ausstreckte, mit Wäldern, kahlen Flächen, Wasserläufen, einsamen Häusern, langsam drehenden Mühlen, Schlössern, Alleen und anderen Dörfern, bis dort hinten, ganz, ganz weit, wo die beschneiten Hügel von Grobbendonck sich verschwommen auf dem bleigrauen Himmel abzeichneten, der sich schwer
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