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Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Timmermans
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gekochten Kaffee, aßen Milch- und Korinthenbrot, holländischen Käse, gekochten Schinken und viele andere schmackhafte Dinge. Dann brachte Charlot ganz alten Wein, »noch aus Christi Zeiten«, sagte sie. Sie steckten sich eine Zigarre an und setzten sich um den gemütlichen Mechelner Ofen herum. Sie erzählten sich dies und das, aber meistens hing eine gute Stille um sie. Charlot kam nach dem Aufwaschen und setzte sich dazu, in der Hoffnung, viel lachen zu können. Mariechen hatte den schnurrenden Tybaert auf dem Schoß.
    Eine Rauchwolke hüllte sie ein, und die Dämmerung zog sammetweich ins Haus. Kaum hörbar tickte der Regen an die Scheiben, und die Fensteröffnung, in der man nichts sehen konnte durch den Nebel, wurde grauer und grauer. Die Köpfe verschwammen im Dunkel, nur der Ofen und die drei Zigarren glühten in der weichgrauen Dämmerung. Ihre wenigen Reden wurden von ihr umhüllt, zart und gedämpft.
    Die Wärme tat gut und wirkte wohltätig auf sie. Manchmal trat eine ganz lange Stille ein, in der nichts hörbar war als das Rieseln des Regens an den Fensterscheiben.
    Und in einer solchen Stille trug der Pastor wie mit einer Sammetkehle ein Gedicht von Gezelle vor. Niemand hatte über Gezelle gesprochen oder an Kunst gerührt, und... doch war es in diesem Augenblick wie etwas, das zu diesem Abend gehörte. Es wuchs natürlich wie eine Blume. Langsam, rein und still, doch mit all der Frömmigkeit eines großen Menschenherzens klang es:
     
    »Alleine, in mich gezogen
    Sitz ich unterm Bogen,
    Der sich wölbet sternenklar.
    Dunkel alles hüllet,
    Nur von Licht erfüllet
    Ist die hohe Sternenschar.
    Wie klein, o Gott, wie kleine,
    Dunkel und alleine,
    Unterm Himmel sternenvoll,
    Lieg ich ganz verloren
    Wie ein ungeboren
    Kind, das nie erwachen soll.
    - - - - - - - - - - - - 
    Redend sind die Dinge,
    Daß ein Lob erklinge
    Dir in allem, was geschieht.
    Stumm sind deiner Sterne
    Strahlen nicht, und gerne
    Singen sie ihr ewiges Lied.«
     
    Als es zu Ende war, sprach niemand ein Wort noch einen Seufzer, es blieb eine gespannte Stille, ein Warten, und dann fing der Pastor wieder an:
     
    »O Lied, o Lied , 1
    Du hilfst dem Schmerz,
    Will Jammer mich verschmachten:
    Du kannst, o Lied, das wunde Herz,
    Das wunde Herz mir sachten.
     
    O Lied, o Lied,
    Du labst den Durst,
    Du stillst die fahlen Gluten;
    Du kannst, o Lied, die dürre Brust
    Und all ihr Weh ermuten.
     
    O Lied, o Lied,
    Das bittre Naß
    Der stumm geweinten Zähren,
    Du kannsts — und deine Kunst ist das —
    Du kannsts in Honig kehren,
    O Lied, o Lied.«
     
    Die zwei letzten Rufe ,O Lied, o Lied’ waren im wachsenden Gefühl so leise gesprochen, daß niemand sie mit den Ohren gehört hatte, wohl aber mit dem Herzen. Dann folgte nach einer Pause das tiefmystische Gedicht ,Freude’: ,Frohe Tage gibt es noch im Leben’, und dann erhob sich aus der Stille dieses innigste Bekenntnis:
     
    »Ich höre Hörner blasen; und 1
    Der Abend nähert sich
    Für mich;
     
    Kinder, blank und blonde, kommt;
    Es dunkelt immer mehr,
    Kommt her.
     
    Segne euch der Höchste; denn
    Es dunkelt immer mehr,
    Kommt her.
     
    Ich höre Hörner blasen; und
    Der Abend nähert sich
    Für mich.«
     
    Es endete mit einem leisen Schluchzen, und dann blieb es still. Der Regen klopfte spitz auf die Scheiben. Pallieter stieß einen Seufzer aus, Mariechen seufzte ihm nach. Franzoo steckte seine Zigarre wieder an, und das Licht zeigte ihnen allen, daß jedes Tränen in den Augen hatte, außer Charlot, die auf der Ofenlehne eingeschlafen war.

 
     
     

Ein schöner Wintertag
     
    P allieter kam aus dem Haus, und da war das Wetter so klar und so jung, als obs auf einmal wieder Frühling werden wollte. Er holte seine Mütze, steckte sich eine Pfeife an und ging spazieren, um sich die Beine ein bißchen zu vertreten. Der Himmel war wie antikblaues Porzellan, und ein frischer Wind ging durch die Luft und ließ die bleichende Wäsche in den Gärtchen an der Leine flattern und knattern. Pallieter hatte seinen Spaß daran, zu sehen, wie der Wind eine weiße
    Frauenhose aufspannte, als ob wirklich Beine darin steckten. Auf dem Felde war hier und da ein Bauer bei der Arbeit, ein Spaten blitzte, und das nasse Grün hob sich reizvoll gegen die braune Erde ab. Die Fernen waren blaß vom Sonnenlicht, aber deutlich zu erkennen. Zwischen den kahlen Bäumen lagen die roten Gehöfte, und über dem waldigen Rand gegen Süden hin erhob sich wie ein blauer Block der festgefügte Turm

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