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Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Timmermans
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Weihnachten war Schnee gefallen, leise und ungesehen in dicken, fetten Flocken, anhaltend und in Massen, bis es Morgen wurde...
    Pallieter, der noch nichts davon wußte, war zuerst wach geworden. Sein erster Gedanke war, Mariechen, die schön und ruhig in seinem Arm schlief, wachzuküssen, aber etwas Weißes traf plötzlich seine Augen; er sah nach dem offenen Fenster, und siehe da, der Nußbaumzweig, der sich immer so schwarz gegen den Himmel abzeichnete, war glitzernd weiß von Schnee. Pallieter stieß einen Schrei aus. Er hockte sich auf. Die ganze Welt war beschneit. Gott, o Gott! Voller Begeisterung sprang Pallieter über Mariechen hinweg aus dem Bett und lief ans Fenster. Eine angenehme Kälte schlug ihm ins Gesicht. Er konnte nichts sagen vor Rührung und Glück. Schnee, Schnee, überall dicker, weißer Schnee! Die Fernen, die Felder, die Hecken, die Wasserläufe, die Bäume, Gehöfte, Wege und Straßen, alles weiß und blank, eben vom Himmel gefallen, in all der Frische und Jugend eines Kindes! Und die Weiße brachte alle Geräusche zum Schweigen und legte eine Kirchenstille über die ganze Welt.
    Pallieter hatte die Herrlichkeit mit einem Blick umfaßt, sein Herz sprang in die Höhe, jauchzend zog er die Hosen an, polterte die Treppe hinunter und rief: »Das Glück, das Glück!«
    Er riß die Tür auf und wollte sich in den Schnee hineinwälzen, aber ach, der lag da so jungfräulich, als dürfe nicht einmal ein Spatzenfüßchen ihn berühren.
    »Einer muß doch der erste sein«, sagte er, schlug ein Kreuz und purzelte dann in den Schnee. Er wälzte sich hin und her, lief durch den weichen, kalten Teppich, schlug und stampfte drin herum wie ein Schwimmer im Wasser.
    Mariechen war ans Fenster gekommen und rief, lustig in die Hände klatschend:
    »Ach, wie schön! Wie weiß, wie weiß!«
    Ein Schneeball flog an ihrem Kopf vorbei ins Zimmer, und sie kicherte, weil Pallieter sie nicht getroffen hatte, und rief: »Wart, ich spiel mit!«
    Inzwischen hatte Pallieter schon angefangen, einen Schneemann zu machen. Sie half ihm; er stapelte den plumpen Leib aufeinander, und sie rollte einen Schneeball, der langsam immer größer und größer wurde. Das war der Kopf, und sie hatten zu zweit alle Mühe, ihn auf den Leib zu setzen. Pallieter stülpte einen alten Hut von einer Vogelscheuche drauf, steckte ihm einen Besen in die Hand und drückte mit dem Daumen Augen, Nase und Zähne hinein und dazu noch eine Tonpfeife.
    Dort hinten kam Charlot aus der Messe.
    »Versteck dich!« sagte Pallieter zu Mariechen.
    Sie verbargen sich hinter einem Baum und machten einstweilen Schneebälle fertig.
    Charlot war jetzt noch einmal so dick durch die vielen Winterkleider, Unterröcke, Wämser und Nachtjacken. Sie trug eine gestrickte Kapuze mit grünen Glasperlen, Wollsocken und schwere Holzschuhe an den Füßen, einen roten, wollenen Schal mit grünen Karos um den Leib und am Hals einen braunen Kaninchenpelz. Sie lächelte. Aber klatsch! da flog ihr ein Schneeball an den Kopf, der ihr ratsch! die Kapuze auf die Seite schlug. Und das Mensch war so erschrocken, daß sie anfing zu rennen, so schnell ihr Umfang es zuließ! Aber die Bälle waren ihr zu schnell, und klatsch, klatsch! einer von hinten auf den Kopf, zwei, drei gegen die dicken Beine und auf den Rücken; und als sie hineinlief, platzte noch einer weiß auf ihrem breiten Hinterteil auseinander.
    Auf Pallieters und Mariechens lautes und herzliches Gelächter kam sie wieder zum Vorschein und rief voller Zorn:
    »Ja, schämt ihr euch denn nich, mich so zu erschrecken! Ach je, ach je... Mein Herz klopft wie ‘ne Uhr!..«
    Heftig schlug sie die Tür zu.
    Und dann fingen sie an, einander mit Schneebällen zu werfen. Die Bälle flogen hin und her, zischten durch die Luft, stießen aneinander, zersprangen an den Bäumen, bis zum Schluß einer in ein Fenster flog und das zerbrochene Glas durch das ganze Haus klirrte. Darauf kam Charlot wieder an die Tür, schimpfend auf den Schneemann, denn Pallieter hatte sich hinterm Regenfaß versteckt, und Mariechen war durch die Hintertür ins Haus gelaufen.
    Brummend zog sich Charlot in ihre Küche zurück.
    Pallieter blieb allein und warf mit Schneebällen nach der Wetterfahne, einem Männchen, das dem Wind eine lange Nase machte, nach den eichenen Satyrköpfen, die den Vorsprung des weit überstehenden Daches trugen, nach den Urnen auf dem Dach und den geschnitzten Fruchtkörbchen am Giebel.
    »Komm Kaffee trinken!« rief Charlot. Doch ehe

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