Pallieter
rief dem Ausrufer eine solche große Summe zu, daß dieser beinah umfiel und nur mühsam den Zuschlag erteilen konnte.
Nun hatte Pallieter einen Baum, aber einen Baum, wie man wohl kaum noch einen zweiten finden würde. Es war nur ein einziger Baum, aber er war so froh darüber, als ob er die ganze Welt bekommen hätte. »MeinBaum!« sagte er. »Wenn die andern gefallen sind, stehst du noch hier, das gelob ich dir! Wachse, treibe Blätter und Bucheckern, wachse, wie du willst, und verbirg die Kaninchen unter deinem großen Fuß. Wachse!«
Er kam, um Winterholz zu kaufen, und kaufte einen Baum. Und mit seinem Taschenmesser schrieb er in die Rinde das einzige, was er jemals geschrieben hat: »Melke den Tag!«
Allein machte er sich auf, quer durch den stillen Wald, wo laute Tropfen durch den Nebel fielen.
Er dachte an die Bäume und an die Menschen. Und während er hier so allein durch den verlassenen Wald schlenderte und überglücklich war über einen Baum, saß die Welt da draußen voll Elend und Unglück, waren die Menschen krank vor Sorgen und lebten, um zu sterben.
Es stürzte auf ihn ein wie ein Block. Aber ach, was konnte er dafür? War er nicht auch ein Wurm?
Die Welt dreht sich, er dreht sich mit, und es ist nur ein Unterschied dabei: daß er das Drehen genießt. Und dies gibt und teilt man andern mit dem besten Willen von der Welt nicht mit...
Als er aus dem Walde kam, hörte er auf der Landstraße viel müdes Pferdegetrappel und das Klirren von losen Hufeisen. Aus dem Nebel tauchten aneinandergedrückt ungefähr zwanzig abgetriebene Pferde auf.
Sie gingen schwer auf hinkenden, geschwollenen Beinen, und ihre guten, schweren Köpfe hingen mutlos herunter an dem langen, sehnigen Hals.
Faustgroß guckten die Knochen heraus, und die Rippen waren wie Faßreifen. Blinde und wunde Tiere waren darunter, und alle drängten sich aneinander, wie um sich gegenseitig zu stützen. Ein Haufen Elend. So wurden sie zur Schlachtbankgetrieben von zwei schmutzigen Kerlen, ohne ein wohltätiges letztes Ausruhen auf einer fetten Weide gekannt zu haben. Sie waren wie Menschen. Und nach ihrem schrecklichen Tod aßen die Menschen sie auf.
»Wo kommen die her?« fragte Pallieter den ersten Kerl. »Aus Löwen«, sagte der barsch.
Es riß etwas in Pallieter. Hinten ging der zweite Kerl, der das letzte Pferd, das sehr hinkte, mit dem Peitschenstiel gegen die steifen Beine schlug und immer weiterschlug, bloß so aus Gewohnheit.
Da lief Pallieter das Herz über. Und ohne Besinnen ging er auf den Kerl zu und schlug ihn mitten ins Gesicht, daß er niedertaumelte. Aber dieser, auch nicht faul, schnellte sich fluchend in die Höhe und schlug Pallieter ein blaues Auge; doch der Vetter packte ihn an der Kehle, und sie rollten beide in den Schlamm. Nun kam der andere herbeigelaufen, um seinem Spießgesellen zu helfen, aber Pallieter riß ihn mit auf den Boden und rief:
»Holleke bolleke
nieve solleke
holleke bolleke
knoll!«
Und er stupste die zwei nach Schnaps riechenden Köpfe tüchtig aneinander.
»Und wenn ihr die Pferde noch einmal schlagt, freß ich euch auf, ihr Biester!« Pallieter ging davon, die Männer riefen noch etwas nach, rührten sich aber nicht...
Als er nach Hause kam, roch es nach frischem Kaffee. Franzoo saß hinter dem warmen Ofen und plauderte mit Mariechen. Charlot deckte den Tisch.
»Ei, was hast du denn am Auge?« riefen alle drei.
»An einen Baum gestoßen«, sagte Pallieter. »Aber wir wollen doch Kaffee trinken, ich hab Hunger.«
Charlot konnte die frohe Nachricht nicht bei sich behalten; sie erzählte sie ihm ins Ohr.
»Was?« rief Pallieter voller Freude. »Is es wahr, Mariechen?« Mariechen nickte bestätigend und wurde rot bis in die Stirn.
Er sprang auf sie zu, hob sie empor und küßte sie auf den feuchten Mund, daß sie nach Luft schnappen mußte. »Korinthenbrot,« rief Pallieter, »Spekulatius und Wein! Es lebe der Ankömmling! Ruf den Pastor, Charlot!« Schnell wie der Blitz hatte Charlot einen andern Rock angezogen und lief lachend davon, den Pastor zu holen.
Der gute Mann gratulierte Pallieter und klopfte Mariechen väterlich die Wangen.
Und erfreut sagte er: »Pallieter, Freund, nun kannst du nicht in die Welt hinausziehen, wo nun ein Kindchen kommt, und mußt in unserem seligen Netheland wohnen bleiben!« Aber Pallieter meinte: »Das is nur aufgeschoben. Wenn das Kleine geboren is, ziehen wir doch, und ich will mein Bestes tun, um Euch mitzunehmen!«
Sie tranken den frisch
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