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Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Timmermans
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Zugloch, wo sie nicht mehr heraus konnten und ungeduldig und unbarmherzig sich manchmal mit einem Stück Zeitung herumwirbelten: immer nur drehen, tanzen und in der Runde schieben und springen, zum Tollwerden.
    So dauerte der Blättertanz, eintönig und unaufhörlich, bis der Regen sie festschlug und verfaulen ließ.
    Die Bäume trauerten, wie Mütter, um ihre Blätter... Unter dem Wagenverschlag standen Mariechen und Charlot mit aufgerollten Ärmeln am dampfenden Waschfaß, und Pallieter hockte auf den Knieen und hackte Holz.
    Es war so still über dem Land, die Frauen schwiegen, und nur das Hacken und Krachen des Holzes drang eine kurze Strecke durch den Dunst.
    Man konnte nicht bis über die Nethe sehen, so dicht hatte der Nebel die Welt umhüllt. Eine weiße Nacht.
    Die Bäume im Garten standen grau und traurig da wie nutzlose Dinge.
    Verschwommen wie ein Gespenst ging ein Mann mit einem schwarzen Hund hinter sich an der Hecke entlang. Er blieb stehen und rief mit heiserer Stimme: »He, Pallieter, bist du das?« Und dann fing er gewaltig an zu husten. Als er fertig war mit Husten, rief Pallieter: »Ich bins in eigener Person!«
    »Willst du midi übersetzen?.. Sonst muß ich einen großen Umweg machen.«
    »Wo gehst du hin, Piet?« rief Pallieter.
    »In den Beginenwald, Holz kaufen! Gehst du mit? Es sind gute Geschäfte zu machen!«
    »Ich gehe mit!« rief Pallieter zurück, »wart!«
    Er ging hinein und holte seinen Mantel.
    »Gelt, du kommst früh nach Haus, Pallieter?« bat Mariechen. »Ich will dir dann auch was sehr Hübsches erzählen!« »Darf Charlot es nich hören?«
    »Ja doch, aber... Mach, geh nur, und komm bald wieder!« Sie errötete ein bißchen und strich mit dem schönen Unterarm die braunen Löckchen aus der Stirn.
    »Ich darf alles hören!« rief Charlot gereizt, »und ich werds noch eher hören als wie du, jawohl, du neugieriger Hampel!« und dann schmeichelnd zu Mariechen: »Nich wahr, mein Lämmchen?«
    »Gewiß«, sagte Mariechen, aber sie wusch weiter.
    »Los, sag mirs doch,« mahnte Charlot, »sag mir doch nur ein bißchen davon.« Da erzählte Mariechen, was es war.
    »Is das wirklich wahr?« rief Charlot erfreut, und sofort verlangte sie, daß Mariechen aufhöre zu waschen, denn das wäre nicht gut und könnte schlechte Folgen haben. »Was wird Pallieter sich freuen, wenn er das hört! Laß mich es ihm sagen, gelt, ich kann das gut«, sagte Charlot.
    Pallieter fuhr mit Piet und dessen Hund übers Wasser, und dann gingen sie auf den Beginenwald zu.
    Sie folgten dem sich schlängelnden Weg, denn sie konnten die Landschaft im Nebel nicht erkennen. Die Bäume wuchsen jedesmal plötzlich aus dem Nebel heraus, grau, und verschwanden dann sofort wieder.
    Der Regen hing wie feine Perlchen auf Pallieters Mantel, und der Boden war in fettigen Schlamm verwandelt, der bis über die Knöchel ging.
    Sie kamen an einer überschwemmten Wiese vorbei, in der drei schiefe Kopfweiden trauerten. Der Hund bellte einen krächzenden Raben an, der sich sofort wieder im Nebel verlor.
    Pallieter und der Mann redeten über ländliche Angelegenheiten, und der schwarze Hund lief geduldig mit gesenktem Kopfe hinterdrein.
    Überall war es totenstill, der Regen fiel unhörbar, und es ging kein Lüftchen.
    Pallieter schwitzte und machte den Mantel auf.
    Endlich kamen sie unter hohe Bäume und schritten über verrotteten Laubboden, und das Licht wurde gedämpft. Hier war der Beginenwald.
    Überall fielen große Tropfen von den Bäumen, schwer und dumpf. Als sie weitergingen, sahen sie eine Gruppe von Leuten, die sich zu einem grauen Häufchen um einen Mann zusammengedrängt hatten, der mit lauter Stimme Zahlen ausrief. Alle standen mit nassen Nasen da und tropften von dem Regen. Pallieter und Piet schoben sich dazwischen.
    Die piepsige Schreistimme ging jäh hoch und blieb in den hohen, nassen Bäumen hängen. Grau und grün standen sie da, die mächtigen Riesen, noch einmal so groß, nun der Nebel sie umhüllte.
    Der Ausrufer ging mit den Leuten auf eine Buche zu. Oh, eine Buche, die drei Männer nicht umfassen konnten. Sie breitete sich weit auseinander und verbarg ihre Krone im Nebel; ihr Fuß stand stämmig mit viel wildverschlungenen und weitauslaufenden Armen felsenfest im Boden. Ein Prachtbaum! Der König des Waldes. Plötzlich fiel es Pallieter ein, daß dieser Riese in einigen Tagen gefällt werden sollte. Nein, das konnte er nicht übers Herz bringen, und zu dem Baum sprach er: »Du sollst wachsen!« Und er

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