Pallieter
rief Pallieter, »es wird wachsen, daß es kracht!« Und er rannte hinunter, um die Baumschere zu holen.
»Aber so komm doch erst Kaffee trinken, du bist noch nüchtern«, rief Mariechen.
»Wir sind schon fertig«, sagte Charlot.
»Gleich, Liebchen!« sprach er zu Mariechen. »Aber komm doch heraus und sieh den Frühling an. Er hängt zum Riechen in der Luft, es wird unserm Pallieterchen so gut tun!« und er zeigte auf ihren Schoß, »es wird nicht drin bleiben wollen.«
Er zog Mariechen mit hinaus in den Obstgarten.
»Ach, sieh die Bäume,« rief er, »sie springen in die Höh!« Er pflückte ein dünnes Zweiglein von einem Gewürznelkenbaum. »Sieh nur, was für eine Freude das Ästchen is, es riecht frisch wie Apfelsinen«, und er steckte es in Mariechens dickes Haar. So fremdartig standen sie da, all die Bäume, in ihrem nackten, schwarzen Gerippe, mit ihren verrückten, gerungenen und verdrehten Ästen, wie auf einmal aus dem Boden gespritzt, in die Höh gezappelt und so verhärtet und verholzt im ersten Sprung ihrer Lebensgewalt.
Aber sie waren empfänglich und willig wie das Fleisch einer jungen Frau. Alle hatten sie das Leben gespürt und hatten seinen süßen Kitzel gefühlt. Da waren unter anderen einige schiefliegende, hohle Apfelbäume dabei, die hart wie Felsen zu sein schienen, tot für die Welt, Brennholz. Aber kaum hatte der erste laue Wind geweht, so hatten sie sich gerührt, ihre Rinde aufgebrochen und stecknadelkopfkleine Knöspchen erzeugt, genau so schnell und viel wie das jüngste Aprikosenbäumchen.
Pallieter stellte die kleine Doppelleiter an einen Birnbaum, der erst zweimal getragen hatte und noch schwarz und trübselig von Regen und Kälte war.
Er stellte sich auf das Leiterchen, nahm einen Zweig zwischen die Schere, sah mit großen Augen neugierig zu, und knipp! da fiel der schwarze Zweig schwer herunter, und an der kleinen, runden Schnittfläche zeigte sich weiß und blinkend, wie bei einem angebissenen Apfel, das junge Speckfleisch des Baumes. Und Pallieter, der es sah, lachte laut, ein glückliches Kinderlachen.
»Ach, wie jung, komm her und guck! «Und erpreßte die Nase gegen den Schnitt und roch, und dann streckte er die Zungenspitze dagegen und kostete schmatzend den bitteren Saft. Mariechen kam auf sein Rufen, aber sie konnte nicht auf das wackelnde Leiterchen, wegen ihres dicken Bauches. »Es is schade! Es riecht und schmeckt so gut!« Und plaudernd schnitt er weiter. Das Bäumchen bekam langsam ein anderes Gesicht, es wurde jünger, und als es fertig war und verschnitten, voll weißer Flecken dastand, war es frisch und froh wie ein Kind, das samstags gewaschen ist und ein frisches Hemdchen anhat.
Pallieter rief dem Mann jenseits der Nethe einen frechen Witz zu, den dieser doppelsinnig beantwortete.
Pallieter nahm ein anderes Bäumchen vor. Charlot folgte, um die Äste zu sammeln. »Das is gutes Brennholz«, sagte sie.
Aber ratsch! eine Amsel kam in den Garten geschossen, fiel in die äußerste Spitze des knorrigen Birnbaums, pickte sich einmal in die Federn und schaute sich dann um. Pallieter sah sie gegen den Himmel sitzen, schwarz wie eine Kohle, mit einem reisbreigelben Schnabel.
»Schweig! Mund zu!« rief Pallieter Charlot vorsichtig zu. Und die Amsel spuckte eine Handvoll lustige Töne aus der Kehle, wartete, wie um etwas Besseres auszudenken, und fing dann an, lange schleppende Töne zu flöten, die von ganz hoch oben langsam zu einer ernsten Baßflöte herunterklangen; und dann ließ sie alles, was sie konnte, auf einmal losbrechen, schnell und durcheinander, bis ihr der Atem ausging. Sie sah sich noch einmal um, ließ zwei vergessene Tone fallen und flog weg.
»Was für ein Närrchen!« sagte Pallieter.
Der Amselgesang hing noch in der Luft, da ging in der Dornhecke auf einmal ein wildes, kleines Flügelschlagen und Zwitschern von Spatzen los, die sich um ein Weibchen stritten. Es war ein Gebalge und ein Geschrei wie von kleinen Schuljungen. Aber das Weibchen machte sich los und warf sich, von den anderen verfolgt, in die Alleebäume, wo der Kampf von neuem begann.
Mariechen rief laut und überrascht: »Die Tulpen kommen heraus, sieh mal an!«
Pallieter sprang von der Leiter, hockte sich neben sie und suchte mit nach den hellgrünen Spitzchen, die den Boden aufgedrückt hatten und zögernd nach dem Frühling tasteten. Während sie da hockten, ging ein starkes Flügelrauschen tief über ihre Häupter dahin. Pallieter sah auf, und ein großer Flug Tauben
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