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Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Timmermans
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klang. Der Beginenhof war alt und traulich an diesem Februarmorgen: Lichtmeß! Die roten Giebel und Dächer, die weißen Mäuerchen am Wasser entlang, die knorrigen Birnen- und Apfelbäume in den kleinen Gärten, alles war naß und feucht ausgeschlagen von Wasser und zu gleicher Zeit feurig strahlend in dem hellen Sönnchen. Es war wirklich nur ein Sönnchen, aber es machte in all dem Wasser über der Erde so ein großes Lichterspiel wie eine erwachsene Sommersonne. Es hing am Himmel neu und frisch wie ein glitzernder, goldener Wassertümpel. Hier und da an den Ziegeln, auf den Bäumen, in einem Blumentopf oder einer umgekehrten Bütte glänzte noch der weiße Schnee, der einst das Land froh gemacht hatte, aber der Schnee mußte weg, seine Zeit war um. Unter dem Schnee waren frische Kräfte erstanden, denen er den Weg freigeben mußte; vom Himmel waren seine Feinde gekommen, voran die junge Sonne. Und sie beglänzte ihn, lachte stechend durch ihn hindurch, und er schmolz, der gute Schnee, und tropfte und tröpfelte sich in singendem, strahlendem Wasser tot. Süße Musik von glänzenden Perlen überall! Im Sonnenschein waren sie wie Perlenschnüre, die von den Bäumen und den Dachziegeln herunterhingen. Schwer, klatschend und schnell tropfte es aus den Dachrinnen, es sang in den Zinkröhren, platschte auf die Pflastersteine und klopfte wie harte Knöchel und Marbel auf das eingesunkene gelbgewordene Eis, das in der Sonne schimmerte. Alle Wassergeräusche waren da: Tropfen und Tröpfeln, Klopfen in Eimer und Tonnen, Platschen und Klatschen, und je mehr das Ohr lauschte, desto reicher wurde das Lied an Tönen.

     
    Es war das Lied der neuen Sonne, die erste Stimme des nahenden Lenzes! Und die sonnige Luft war voll Glockengeläute. »Jetzt werden wir bald gutes Wetter haben«, sagte der Pastor. Und nach einer Stille und einem Seufzer: »Es ist doch schade, Pallieter, daß du unsere Gegend verläßt und in die Welt hinausziehst. Ach, bleib und bau dir etwas weiter einen Hof. Und dann, wenn ein Jahr über die neue Nethe hingegangen, dann hast du dich dran gewöhnt und findest es schön. Bleib!«
    »Das is alles wahr,« entgegnete Pallieter, »die Gegend mag nach der Veränderung noch tausendmal schöner sein! — Aber der Gedanke und das Verlangen, überall und nirgends zu wohnen, is mir ins Blut übergegangen. Ich muß weg. Das is in mir aufgestiegen im September bei meiner Hochzeit, als ich Störche hoch oben am Himmel wegziehen sah.«
    »Wo gehst du hin?« fragte der Pastor.
    »Das weiß ich noch nich, das is ganz egal«, sagte Pallieter. »Du wirst viel Genuß davon haben«, meinte der Pastor; »wenn ich nicht zu alt wär, ging ich mit!«
    »Und Euer Rock?« fragte Pallieter.
    »Das hätt ich vergessen«, sagte der Pastor lachend.
    »Kommt, wir gehen zu Franzoo und trinken Märzbier auf das schöne Tauwasserlied.« Sie gingen von dem Beginenhof weg, über den Beginenwall. Aus der dreifachen hohen Baumreihe, mächtig aufgebaut wie eine Kirche, mit der Landschaft als Fenster, fielen die großen sonnenbestrahlten Tropfen so zahlreich, daß es wie ein Regen war. — Ein froher, toller Perlentanz!
    Die Tropfen klatschten auf die Bäume, sprangen von dem einen Zweig auf den andern, sie vermengten sich, und der eine fiel rascher als der andere. Manchmal kamen ganze Hände voll heruntergerollt, daß dem Pastor sein Dreispitz fast eingedrückt wurde, dann ging es wieder in langsamem Gang, um auf einmal wieder toll herunterzuplumpsen und Pallieters Rücken so naß zu machen wie einen Aufwaschlappen.
    »Laßt sie nur purzeln,« sagte Pallieter, »sie riechen nach Frühling!«
    Sie ließen sich ruhig betropfen, daß das Wasser in Streifen über des Pastors schwarze Soutane hinunterströmte und um Pallieters Hütchen herum wie goldene Schellen hing. Sie glänzten alle beide.
    »Horcht!« sagte Pallieter.
    »Hört!« rief der Pastor.
    Und sie belauschten die Musik des kühlen, blinkenden Perlentanzes.
    Das Land war ein Reichtum von feinen Farben und zarten Tönen, Schnee lag noch in Haufen, und ganz feine Nebel hingen, die die Fernen verschleierten und das Rot der Dächer und das Schwarz der Bäume dämpften. Durch die Nebel wob die Wassersonne den Reichtum ihres jungen Glanzes. Und die Fernen waren dadurch wie alte Teppiche.
    »Seht!« rief Pallieter und lief nach einem Schneeflecken im Gras, »ein Schneeglöckchen! ein Schneeglöckchen!« Durch den Schnee hatte sich, trotz Kälte und Wind und rauher Luft, das Blümchen

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