Palzki 09 - Ahnenfluch
Professorin zusätzlich die Zugangstür zum Heizungskeller verrammelte, würde mich so schnell hier unten niemand suchen, geschweige denn finden. Das Trommeln hatte einen eigentümlichen Hall erzeugt. Nicht so wie bei einem Echo in freier Landschaft oder in einem großen Gebäude wie dem Speyerer Dom, sondern irgendwie diffuser. Anders halt, oder andersder, wie der Kurpfälzer zu sagen pflegt.
Wieso fiel mir gerade jetzt ›The End‹ von ›The Doors‹ ein?
Die meisten Menschen würden in solch einer hoffnungslosen Situation in Panik geraten: Sinnlos herumschreien und einfach drauf losgehen und sich dabei den Kopf anrennen oder sich an anderen Körperteilen verletzen. Ich selbst blieb die Ruhe in Person, jedenfalls behaupte ich das, was mir ohne Zeuge niemand widerlegen kann.
Ich wusste, dass es reine Einbildung war: Mir wurde kalt, ich fror. Wenn Jutta dabei wäre, würde sie wahrscheinlich von Supraleitern fantasieren. Doch ich war Mann genug, die Sinnestäuschung halbwegs zu ignorieren. Etwas Heikleres schwirrte mir im Kopf herum. Die Beraubung wichtiger Sinne war das eine, das andere war der überlebenswichtige Sauerstoff. Ich konnte nur hoffen, dass er in ausreichendem Maße vorhanden war. Wie ich aus Erfahrung wusste, gab es in selten benutzten Kellern gern mal überhöhte Kohlenstoffdioxidwerte, die man leider weder schmecken noch riechen konnte. Man wurde einfach müde und schlief schließlich ein. Für immer. Und dies konnte sehr schnell geschehen, wie ich vor einem guten halben Jahr erleben durfte. Allerdings sollte eine Bunkeranlage, in der sich laut der Professorin schon 8.000 Personen aufgehalten haben und in späteren Jahren Studentenfeten gefeiert wurden, über genügend Lüftungsmöglichkeiten für einen einzelnen Polizeibeamten verfügen. Was aber, wenn man diese wie die Heizungsanlage demontiert oder hermetisch verschlossen hatte?
Mir fiel nur ein Ausweg aus der Misere ein: Ich musste einen der vier vergitterten Zugänge im Ehrenhof finden und hoffen, dass es vor den Gittern keine weiteren verschlossenen Türen gab.
Jetzt wäre es gut, wenn ich Herrn Ackermanns Handy hätte, mit dem Paul den Gang in der Gruft entdeckt hatte. Mit der Taschenlampenfunktion könnte ich mich hier unten orientieren, falls ich die Funktion überhaupt zum Laufen bringen würde. Ich hatte keine Ahnung, wie diese skurril aussehenden Wischbewegungen funktionierten. Bedauerlicherweise hatte ich auch das Tabakspäckchen nebst Feuerzeug nicht dabei.
Doch mir fiel eine Lösung ein. Als zur aussterbenden Rasse der Armbanduhrenträger Zählender verfügte ich ebenfalls über eine zwar kleine, aber immerhin zuverlässige Lichtquelle. Ich drückte auf die Taste der Zifferblattbeleuchtung. Meine Augen brauchten einige Zeit, um sich an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Was ich sah, machte mir Angst. Der Gang, in dem ich stand, schien ewig lang zu sein und mündete in der Dunkelheit. Auf beiden Seiten befanden sich alle paar Meter schmale Durchgänge. Wie sollte ich mich in solch einem Irrgarten zurechtfinden? Ich hatte nicht einmal Kreide oder so etwas dabei, um den Weg zu markieren. Plötzlich stutzte ich. Ich entdeckte an der Wand ein Notausgangsschild. Dummerweise war es unbeleuchtet und zeigte zudem auf die von der Professorin verschlossene Metalltür. Ein winziger Hoffnungsschimmer keimte auf. Vielleicht wurde die Notbeleuchtung nicht von zentraler Stelle geschaltet, sondern von einem Ort innerhalb des Bunkers. Ich kam zu dem Schluss, dass diese These unwahrscheinlich war. Wahrscheinlich hatte man die Stromleitungen längst abgeklemmt oder die Beleuchtung wurde von außerhalb des Bunkers geregelt.
Nennen wir es Zufall oder Glück. Ich nenne es Begabung. Mit seltsam verschränkten Händen, ich musste schließlich den Knopf an der Uhr drücken, betrachtete ich zahlreiche an der Decke verlaufende Stromkabel. Sie alle schienen in eine Richtung zu gehen und sich durch neu hinzukommende aus Nebenräumen zu vermehren. Ich folgte dem mächtiger werdenden Kabelstrang und stand schließlich vor einem alten Sicherungskasten. Ausgerechnet in diesem Moment ließ die Beleuchtung meiner Uhr beträchtlich nach. Die Batterie war wohl nicht mehr die frischeste. Verzweifelt, aber wohlbesonnen drückte ich mehr oder weniger willkürlich auf die zahlreichen und unbeschriebenen Schalter, drehte Sicherungen heraus, um sie in andere, leere Sicherungsgehäuse einzudrehen. Nichts passierte, abgesehen davon, dass meine einzige Lichtquelle
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