Pampelmusenduft (St. Elwine) (German Edition)
kürzer. Ich drohte ihr damit, dass ich fortgehen und Tyler mitnehmen würde. Sie bettelte mich an, versprach mir das Blaue vom Himmel und weinte. Ihr Herz hing an dem Kleinen, ich konnte ihr das nicht antun. Sie hatte wunderschönes dunkles Haar und ein ansteckendes fröhliches Lachen, wenn sie gut drauf war. Der Junge war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. Ein liebes, neugier i ges Kind.“
„Und doch haben Sie beide verlassen“, hakte Erica vorsichtig nach.
Chad Carmichael nickte unglücklich. „Ja, es zerriss mir beinah das Herz. Aber ich musste gehen. Sie konnte einfach nicht vom Trinken lassen. Von einer Therapie wollte sie nichts wissen. Sie sagte, sie habe das unter Kontrolle. Dann starben auch meine Eltern. Ich hatte keine Hilfe mehr. Ich war einundzwanzig Jahre alt und fühlte mich völlig ausg e pumpt. So ein Leben wollte ich nicht führen. Heute weiß ich, dass ich total überfordert damit war, die Rolle des Familienoberhauptes zu spi e len. Also ging ich. Ich hatte vor, zurück zu gehen. Ich dachte, wenn ich eine Weile fort wäre, würde Maureen zur Vernunft kommen. Sie musste sich ja schließlich um Tyler kümmern. Ich heuerte unterdessen auf einer Bohrinsel an. Dort verdiente ich gutes Geld. Ich schickte den größten Teil davon nach Hause. Aus Briefen erfuhr ich von Freunden, dass Ma u reen das Geld vertrank. Es machte mich wütend. Ich wollte sie zwingen auf eigenen Füßen zu stehen. Also schickte ich ihr nichts mehr, sondern zahlte alles für Tyler auf ein Konto ein. Der Junge würde es später gut gebrauchen können. Ich habe es nie angerührt. Dann kam es zu einem Unfall auf der Bohrinsel. Viele meiner Kollegen starben. Ich wurde ve r letzt und in ein Krankenhaus geflogen. Mein Augenlicht war in Gefahr. In der Klinik lernte ich Ruth kennen. Ich habe ihr dann nach und nach alles erzählt. Als sie schwanger wurde, schickte ich Maureen die Sche i dungspapiere. Sie liebte Tyler und ich hoffte darauf, dass sie durch ihn ihr Leben in den Griff bekam.“
„Haben Sie je wieder von den beiden gehört? Über Freunde vielleicht?“
„Nein, ich habe keinen Kontakt mehr zu irgendjemandem aus Jonesville. Ruth und ich gingen eine Weile nach Alaska und kehrten schlie ß lich vor acht Jahren zurück.“ Nach einer kurzen Pause fragte er die Beamten: „Wi s sen Sie etwas über Maureen und den Jungen?“
„Ihre erste Frau starb, als Tyler sechzehn Jahre alt war. Ihr Sohn lebt jetzt in Maryland, in einem kleinen Küstenstädtchen. Er hat Maureens Mädchenn a men angenommen. Ihr Sohn ist ein Rockstar.“
Chad Carmichael starrte Benedict verblüfft an.
Charlotte war vollkommen durcheinander. Sie und ihr Vater hatten sich lange unterhalten. Allerdings hatte sie nicht damit gerechnet, solche Dinge zu erfahren. Wie gern würde sie jetzt mit Don darüber sprechen. Aber er steckte bis über beide Ohren in Arbeit. Zum einen lief die Touristensaison auf vollen Touren, und zum anderen kooperierte er eng mit dem FBI.
Als Nathan vorgestern hier aufgekreuzt war, hatte Don es vorgezogen, in seiner alten Wohnung, im Haus seiner Schwester, zu übernac h ten. Er wollte, dass Charly und ihr Vater sich erst einmal richtig kennen lernten. Eigentlich stimmte sie Don zu, und doch war sie verärgert.
Noch gleich im Anschluss an die Party bei Tyler hatte er wissen wollen, wobei sie denn Elizabeth Tanner assistiert hatte. Daraufhin hatte Charly ihn an die Schweigepflicht erinnert und daran, dass auch er zu laufenden Ermittlungen keine Angaben machen dürfe. Sie hatte beobachtet, wie er seine Kiefer fest aufeinander presste. Teils aus Wut, teils, dass ihm keine unbedachte Äußerung entschlüpfte.
Jetzt brauchte sie einen klaren Kopf und entschloss sich daher, einen langen Spaziergang am Strand zu machen. Sie zog sich ein leichtes Sommerkleid über, schlüpfte in ihre Flip-Flops und lief zur Strandpromenade hinaus. Erst als sie hinunter zum Strand ging und das Haus in dem Orlando und Anna wohnten neben sich auftauchen sah, verlan g samte sie ihre Schritte. Ihr fiel wieder ein, dass sie im Postkasten gestern eine Einladung zur Hochzeit von Anna und Orlando en t deckt hatte.
Charly hatte nun ständig Sand in ihren Badelatschen und lief daher lieber gleich barfuß weiter. Ihr Haar und ihr Kleid flatterten im Wind. Der leichte Stoff schmiegte sich eng an ihren Körper.
Auf dem Wasser suchten heute viele Surfer ihren Spaß. Charly stapfte weiter und genoss ihren Spaziergang. Irgendwann gelangte sie an eine malerische
Weitere Kostenlose Bücher