Pampelmusenduft (St. Elwine) (German Edition)
in Ruhe anzuschauen. Im oberen Stockwerk befanden sich neben ihrem Zimmer noch die Räume, die früher ihren Eltern gehörten, in denen jetzt aber schon seit Jahren Bertha wohnte. An Charlys Zimmer grenzten noch zwei weitere, die wohl mal als zusätzliche Kinderzimmer vorgesehen waren. Aber sie war ein Einzelkind geblieben. So nutzte ihre Großmutter die Räume zum Nähen und Lagern ihrer zahlreichen Stoffe. Die Möbel darin waren mit alten Laken abgedeckt. Im Geiste machte sich Charlotte eine Notiz. Sie würde ihren Großvater fragen, ob sie diese Räume mit benutzen könnte. Der Anwalt ihrer Mutter wollte ihr noch ihre persönlichen Sachen nachschicken. Es waren auch ein paar Möbelstücke daru n ter. Die würde sie dort gut unterbringen können und die Zimmer nach i h rem Geschmack für sich einrichten. Ihr Großvater hätte sicher nichts d a gegen.
In der unteren Etage befanden sich auf der einen Seite die große Küche und die Räume ihres Großvaters. Auf der anderen Seite die Praxis. Es gab einen Haupteingang zum Haus über eine kleine Treppe, sowie e i nen Seiteneingang für die Patienten, der zur Praxis führte. Außerdem gelangte man über einen Hinterausgang in den Garten. Die gesamte hi n tere Front war mit einer Art offenen Veranda versehen, auf der gemütl i che Holzsessel zum Verweilen einluden. Die Polster und Kissen hatte noch ihre Großmutter genäht, in fröhlichen blaugelben Stoffen. Im Ga r ten duftete es nach Blumen. Charly erinnerte sich an die zahlreichen R o senstöcke. Ihr Großvater war leidenschaftlicher Hobbygärtner. Der Ga r ten war noch genauso zauberhaft, wie in ihren Erinnerungen. Nur das sie ihn jetzt nicht mehr als selbstverständlich ansah. Da blühten Lavendel, Rittersporn, Gladiolen, Margeriten. Im Spätsommer, das wusste sie, würden viele Sonnenblumen, Dahlien und natürlich noch mehr Rosen aufblühen. Charlotte ging den schmalen, gewundenen Pfad entlang, den sie als kleines Mädchen bereits unzählige Male passiert hatte. Da stand der hölzerne Pavillon, in dessen Innerem sie oft mit ihren Puppen g e spielt hatte. Sie hatte dort Teepartys mit ihren Cousinen Angelina und Victoria veranstaltet. Ob die beiden wohl noch immer hier lebten? Charlotte würde sie liebend gern wiedersehen.
Eines Tages kamen ihre Cousinen zusammen mit ihren Eltern und einem Kinderwagen in diesen Garten und hatten Charlys Familie besucht. Die kleinen Mädchen waren fasziniert von dem Baby im Wagen. A b wechselnd durften sie ihn durch den Garten schieben. Es war das Br ü derchen von Angie und Vicky. Vicky war erst drei und noch ein bisschen zu klein, um mit dem Wagen zurechtzukommen. Die beiden fünfjährigen Mädchen jedoch, fühlten sich ungeheuer erwachsen und unterhielten sich kichernd über das wunderschöne Baby. Wie einfach damals alles schien, Charly seufzte. Sie überlegte angestrengt, doch der Name des Babys wollte ihr nicht einfallen.
Sie stand vor dem kleinen, in strahlendem Gelb gestrichenen Holzhaus, das ihr Großvater stets liebevoll das Schwedenhäuschen nannte. Er hatte es eigens nach seinen Vorstellungen bauen lassen. Johann Svenson stammte aus Schweden und war als junger Mann Charlys Großmutter gefolgt, die ihre Sommerferien als Achtzehnjährige dort verbracht hatte. Nach einem regen Briefverkehr war er voller Sehnsucht nach Amerika aufgebrochen. Auch wenn das Heimweh ihn hin und wieder plagte, hatte Johann diesen Schritt nie bereut. Aus Sentimentalität heraus hatte er das Schwedenhäuschen errichten lassen. An einer kleinen Fahnenstange hing sogar ein Flaggenwimpel seiner alten Heimat in leuchtendem Blaugelb. Fenster und Türen waren weiß abgesetzt. Eine kleine Holztreppe führte zu einer winzigen offenen Veranda, auf der ein Schaukelstuhl stand. Das Häuschen diente als Unterbringung für die Gäste der Familie. Es behe r bergte drei Schlafzimmer, eine Wohnküche und ein kleines Badezimmer. Charly bemerkte, dass die Tür zum Häuschen verschlossen war. Ein leichter Wind frischte auf und so ging sie zurück zum Wohnhaus. Sie roch jetzt deutlich die Meeresluft. Die Tür am Seiteneingang, die zur Praxis führte, war ebenfalls verschlossen. Man kam allerdings auch von der Diele aus in die Praxisräume.
„Charly, dein Großvater ist auf dem Markt. Er geht dort gern spazieren, trifft viele Bekannte und plaudert ein bisschen. Wenn du irgende t was brauchst, sagst du mir Bescheid, nicht wahr?“, hörte sie Berthas Stimme aus der K ü che tönen.
„Danke, ich komme schon klar.
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