Pampelmusenduft (St. Elwine) (German Edition)
Jetzt würde ich mir gern die Praxisräume ansehen.“
„Nur zu! Ich halte alles noch sauber. Hin und wieder kommen Freunde des Doktors, um sich einen letzten, alten Backenzahn von ihm ziehen zu lassen. Er hat stets noch ein paar Lidocain-Ampullen vorrätig und st e ril eingeschweißte Instrumente. Manchmal beseitigt er auch störende Prothesenrä n der oder so etwas in der Art.“
„Ich verstehe. Er hat sich mit dem Rentnerdasein wohl nie ganz abfinden können.“ Charly lächelte.
„Du kennst deinen Großvater gut, mein Kind.“
Dies hier war das Allerheiligste des Johann Svenson, dachte Charlotte beim Betreten der Praxis. Als Kind hatten sie diese Räume mit den dunklen Holzvertäfelungen und den schweren Eichenmöbeln im Wartezimmer stets eing e schüchtert.
„Gütiger Himmel.“ Sie lief von einem Raum in den anderen. Zur Praxis gehörten zwei Sprechzimmer, ein Warteraum, ein Büro, ein Persona l raum sowie eine große Abstellkammer. Es herrschte eine beklemmende Atmosphäre. Charly kam sich fast wie in einer alten Folterkammer vor. Selbst ihr Dent-Mobil, in dem sie ihre Sprechstunde in Afrika abgehalten hatte, war moderner eingerichtet gewesen. Dass es hier, wie auch in Kenia, keinen PC, so n dern Karteikarten gab, war klar.
Aber die zahnärztlichen Arbeitseinheiten ihres Großvaters verfügten noch über ein Doriotgestänge, einen über eine Schnur angetriebenen Bohrer, zum Entfernen der Karies. Sie kannte solche Dinger nur aus dem Museum. Der Patientenstuhl sah ebenfalls recht furchteinflößend aus, mit bizarren runden Polstern für den Kopf. Bertha konnte in Charlottes Gesicht lesen wie in einem offenen Buch. Sie war ihr in die Praxis gefolgt und beobachtete sie aufmerksam.
„Tja, dein Großvater ist kein Freund von Veränderungen oder Neuerungen, selbst wenn sie eine große Arbeitserleichterung gebracht hätten. Nur mir zuliebe abonnierte er einige Fachzeitschriften. Er las natürlich die medizinischen Artikel, ließ aber keinen Zweifel daran, dass er alles für neumodischen Schnickschnack hielt. Nun, er ist jetzt seit fast zwa n zig Jahren pensioniert und dann überleg dir nur mal, wann er diese Pr a xis eingerichtet hat: Gleich, nachdem er deine Großmutter geheiratet hat und die beiden in dieses Haus gezogen sind. Seit dem ist nahezu alles in seinem Urzustand. Ich habe mir so oft die schönen Bilder in den Fachzeitschriften angesehen und davon geträumt, dass Dr. Svenson weni g stens eine zahnärztliche Einheit erneuern würde. Er wollte nichts davon hören. Wenn zu viel Technik im Spiel ist, Bertha, kann auch viel mehr kaputt gehen und ich gebe dann einen Haufen Geld für Reparaturen aus. Kommt nicht in Frage. Lieber pumpte er den Behandlungsstuhl mit dem Fuß in die Höhe, hatte schlechte Sicht statt Halogenleuchten, dafür aber eine herrliche Hitze unter der riesigen Lampe. Amalgam wurde ohne Mischgerät nur mit Mörser und Pistill selbst zubereitet, Röntgenbilder umständlich in einer Dunkelkammer statt in einem Automaten entwi c kelt, und so weiter und so weiter. Das einzig Moderne war ein Folie n schweißgerät, mit dessen Hilfe chirurgische Instrumente und Zangen nach dem Desinfizieren eingeschweißt und anschließend darin sterilisiert wurden. So konnte man sie lange Zeit stets einsatzbereit halten.“ Bertha grinste sie an. „Da habe ich mich einmal gegen ihn durchsetzen können. Ich habe gedroht, ich würde kündigen, wenn er nicht so ein Gerät a n schaffen würde.“
„Das hat funktioniert?“, murmelte Charly ungläubig.
„Du weißt nicht, wie wütend ich an diesem Tag war.“ Bertha lachte wi e der. „Ich nehme an, du willst alles von Grund auf ändern.“
Charlotte nickte. „Das kann man wohl sagen. Ich werde diese schreckliche Folterkammer in eine freundliche, helle Zahnarztpraxis umwandeln. Mein Arbeitsstart schiebt sich damit länger hinaus als ich dachte. Aber ich habe keine Eile. Ich möchte diese Praxis nach meinen eigenen Vorstellungen führen und das fängt bereits mit dem Umbau an. Mein Großvater muss mir freie Hand lassen, oder ich kann sein Angebot nicht a n nehmen.“
„Oh Kindchen, du wirst ihn schon überzeugen. Du ganz sicher.“ Bertha k i cherte fröhlich.
„Weißt du was? Ich liebe Herausforderungen, Bertha. Habe ich das schon erwähnt?“
„Nicht direkt. Aber ich dachte es mir, Charly. Komm, lass uns eine Erfrischung zu uns nehmen! Wie wäre es mit Obstsalat? Erzähl mir von Afr i ka, von deiner Arbeit! Wie hat dein Tag
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