Pampelmusenduft (St. Elwine) (German Edition)
„Guten Morgen - dann haben wir ja noch etwas Zeit. Übrigens St. Elwine hat eine neue Einwohnerin.“ Sie berichtete ihnen von der dramatischen Geburt Angelinas zweiter Tochter. „Nur gut, dass das Barbecue bei Liz Tanner stattfand. Ist ganz schön au f regend so was.“
„Was haben die anderen Gäste getan?“, wollte Janet wissen.
„Eigentlich haben sich alle mehr oder weniger rasch verdrückt. Marc und Amy nahmen mich in die Stadt mit und O´Brian und sein Kumpel O r lando Moss sind dann auch gegangen.“
„Ph - Tyler O´Brian, dieser ... dieser Schlüpferstürmer“, stieß Anna veräch t lich hervor.
„Ich denke, du fährst voll auf ihn ab“, hakte Janet nach.
„Das war einmal. Ich habe keine Lust mich in jemanden zu verlieben, der seine Hände ständig an anderen Weibern hat. Dafür bin ich mir zu schade.“
„Wie kommt´s denn?“ Charly hoffte, dass ihre Frage unverfänglich klang. In Wahrheit brannte sie vor Neugier. Zumal Annas Schwärmerei für Tyler O´Brian in den letzten Wochen beinahe nervtötend gewesen war. Und nun dieser abrupte Sinneswandel. Zum Glück wurde ihre Geduld nicht länger auf die Folter gespannt und Anna berichtete ausführlich vom Sexabenteuer des Rockstars. Sie schmückte ihre Erzählung mit p i kanten Einzelheiten aus und verzog dabei ihr Gesicht, so dass Charly sogar ein wenig Boshaftigkeit heraushören konnte. Wahrscheinlich übertrieb Anna, als sie das quietschende Bett und sein zufriedenes G e sicht am Morgen danach erwähnte. Charlotte fragte sich, warum plöt z lich Zorn in ihr aufstieg. Schließlich konnte der Rockstar tun und lassen was er wollte. Dies hier war ein freies Land. Sie wurde daran gehindert sich weitere Gedanken über Annas Bericht zu machen, als ihre nächste Patientin die Praxis betrat. Allison Webber aus der Quiltgruppe war eben so klein wie Charlotte, doch sie wirkte viel gedrungener. Es schien, als hingen ihre Schultern leicht nach vorn. Allison war ziemlich kräftig g e baut, allerdings sah sie heute völlig erschöpft aus. Das dunkle, kurze Haar klebte ihr stumpf am Kopf. Das Gesicht der Sechzigjährigen schien um Jahre gealtert. Dunkle Schatten lagen unter den Augen. Ihre gesamte Erscheinung drückte tiefe Niedergeschlagenheit aus. Janet sprach sie freundlich an und bat sie, ins Sprechzimmer zu gehen.
„Hallo Allison.“
„Guten Morgen, Charly. Ich habe einen Termin zur Vorsorge.“
„Setz dich!“ Charlotte nahm Mundspiegel und Sonde zur Hand und A n na stellte ihr die Lampe ein.
„46 hat eine Approximalkaries“, diktierte Charly ihrer Assistentin. An Allison gewandt erklärte sie, dass der Zahn gefüllt werden musste. Sie zeigte ihr die verschiedenen Möglichkeiten auf. Allison entschied sich für die prei s werteste Variante: die Amalgamfüllung.
„Gut, dann brauche ich eine Injektion.“ Während das Anästhetikum zu wi r ken begann, fragte Charly behutsam nach Allisons Kummer.
Leise antwortete diese: „Toby, mein Sohn hat endgültig seinen Job bei Tanner Construction verloren. Er treibt sich herum, ist meist mit den falschen Leuten zusammen. Ich besitze einen Zweitschlüssel für seine Wohnung. Seit Tagen riefen wir bereits bei ihm an. Er ging nie ans Telefon. Am Freitag schließlich machte ich mich auf, um zu ihm zu gehen. Ich habe ewig geklopft und geklingelt. Man will ja bei einem Erwachs e nen nicht einfach so eindringen, nicht wahr? Ich spürte genau, dass er in der Wohnung ist. Mir blieb gar nichts anderes übrig, als meinen Schlü s sel zu benutzen. Ihr macht euch keine Vorstellung von dem, wie es dri n nen aussah. Überall Schmutz, dreckiges Geschirr in der Spüle und auf dem Küchentisch. Leere Dosen und Verpackungen standen herum. In e i ner Ecke im Wohnzimmer schlief ein fremder Mann. Es stank zum Himmel. Ich musste erst mal die Fenster aufreißen. Dann wollte ich T o by zur Rede stellen. Natürlich spielte er den Unwissenden. Er war leicht angetrunken und meinte, er kenne den Mann nicht, der da in der Ecke schnarchte. Ich rief meinen Mann an. Der setzte den vor Schmutz sta r renden Untermieter vor die Tür. Dann habe ich mich ans Aufräumen gemacht. Mein Mann nahm Toby ins Gebet. Der gab schließlich zu, se i nen Job verloren zu haben und den Typen irgendwo im Suff aufgegabelt zu haben. Angeblich hatte der Fremde keine Bleibe und wollte nur U n terschlupf für eine Nacht. Daraus wurden dann fünf Wochen. Das muss man sich mal vorstellen.“ Sie machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: „Wir haben
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