Pamuk, Orhan
rassigen
weißen Märchenroß dem Brautzug voranritt, suchte mein Auge ängstlich die
Straßenecken und dunklen Hoftore nach Hasan und seinen Leuten ab, die uns von
dort aus angreifen konnten. Ich sah die Alten vor den Türen, an die Wände
gelehnt, sah die reifen Männer des Viertels, die unserem seltsamen Brautzug
zuschauten, ohne ganz zu verstehen, was vorging, uns ihre Achtung aber nicht
versagten, sah Fremde, die anhielten und uns grüßten. Der Grünzeughändler auf
dem kleinen Markt, in den wir aus Versehen hineingerieten, entfernte sich nicht
weit von seinen bunten Quitten, Mohrrüben und Äpfeln, machte vier, fünf
Schritte und rief voller Freude: »Maşallah«, der traurige Krämer lächelte, und der Bäcker,
der seinen Lehrling die verkohlten Unterseiten der Pasteten abkratzen ließ,
warf uns zustimmende Blicke zu, und all das bestätigte mir sofort, daß Şeküre
ihr Netz aus Geflüster und Klatsch im Grunde genommen meisterhaft ausgeworfen,
ihre Scheidung und die Eheschließung mit mir dem Viertel in kürzester Zeit
mitgeteilt und dessen Anerkennung gewonnen hatte. Trotz allem blieb ich ständig
auf der Hut vor einem unerfreulichen, überraschenden Überfall, sogar vor einem
Zuruf, einem falschen Wort. Aus diesem Grund kam mir beim Verlassen des Marktes
das Gewimmel der schreienden, spottenden Kinder, die sich an unsere Fersen
hefteten und ihren Bakschisch verlangten, gerade recht: An dem Lächeln der
Frauen, die man durch die Fensterspalten, die Gitter und zwischen den
Fensterläden schemenhaft wahrnahm, erkannte ich, daß für uns die Begeisterung
der Kinder, ihr Lärm und ihre große Zahl Schutz und Zustimmung bedeuteten.
Mein Auge war ständig wachsam auf
dem Weg, den der Brautzug schließlich, Allah sei Dank, zu dem Haus, seinem
Ausgangspunkt, zurück nahm, doch mein Herz war bei Şeküre und ihrer
Trauer. Was mich bekümmerte, war eigentlich nicht die Ungunst des Schicksals,
die sie keinen ganzen Tag nach der Ermordung ihres Vaters zur Heirat zwang, sondern
die Unauffälligkeit und Ärmlichkeit ihrer Hochzeit. Meine Şeküre wäre
eines Pferdes mit Silbergeschirr und einer reichbestickten Schabracke würdig
gewesen, eines Gefolges aus Reitern in Kleidern aus Seidenbrokat und
Zobelfellen, aus Hunderten von Pferden und Wagen, die mit Geschenken und ihrer
Aussteuer beladen waren, und hinterdrein noch zahlreichen Töchtern von Paschas
und Prinzessinnen und alten Haremsdamen, die vom Reichtum der alten Tage
erzählen. Statt dessen gab es weder den Baldachin aus blutroter Seide, der bei
der Hochzeit reicher Mädchen zum Schutz vor fremden Blicken über sie gespannt
wird, noch die vier Lakaien, die ihn an Stöcke gebunden zu beiden Seiten des
Pferdes tragen müssen, und nicht die riesigen, mit Früchten, Silber und Blattgold,
glitzernden Steinen und Lametta geschmückten Hochzeitskerzen, und auch keinen
Lakaien, der die prächtigen, baumartigen Schmuckgebinde vorantrug. Da die Musikanten
selbst keinen Respekt für unseren Brautzug empfanden, verstummten ihre
Instrumente immer wieder einmal, und da uns auch niemand mit dem Ruf: »Macht
den Weg frei, die Braut kommt!« voranging, geriet unser Umzug unter die Menge
auf dem Markt, unter die wasserschöpfenden Sklaven am Brunnen, und ich fühlte
weniger Scham als Gram darüber, so daß mir fast das Wasser in die Augen schoß.
Als wir uns auf dem Rückweg dem Haus näherten, wandte ich mich um auf meinem
tapferen Pferd, schaute Şeküre einen Augenblick an und wußte, daß sie
nicht verbittert war über die unverdient ärmlich ausfallende Hochzeit, sondern
hinter ihrem rosigen Brautlametta und ihrem blutroten Schleier aufatmete, weil
der Brautzug ohne Zwischenfall hinter uns lag, und auch ich war erleichtert. So
hob ich meine Liebste, mit der ich gleich danach vermählt werden sollte, auf
die gleiche Art wie jeder Bräutigam vom Pferd, nahm ihren Arm, holte einen
Beutel Asper hervor und schüttete die Silbermünzen Hand um Hand vergnüglich
langsam vor aller Augen über ihrem Kopf aus. Während das Kindergefolge nach
den Münzen haschte, gingen wir, Şeküre und ich, über den Hof und durch die
Halle ins Haus. Und beim Eintreten nahmen wir mit der Wärme entsetzt den
durchdringenden Leichengeruch wahr.
Während sich die Teilnehmer des
Brautzuges im Haus niederließen, sah ich, daß genau wie die hier verbliebenen
Alten, Frauen und Kinder (Orhan beobachtete mich argwöhnisch aus einer Ecke)
auch Şeküre sich so verhielt, als sei dieser Geruch überhaupt
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