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Pamuk, Orhan

Pamuk, Orhan

Titel: Pamuk, Orhan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rot ist mein Name
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es in
manch einem Krieg empfunden hatte, glaubte ich auch jetzt fest daran, die Gunst
Allahs zu genießen und von Ihm geliebt zu werden, glaubte daran, daß Er mich
beschützte und darum alles gut ausgehen würde. Wenn ihr einmal dieses Vertrauen
spürt, dann tut ihr, was euch gerade einfällt, und euer Handeln erweist sich
als richtig.
    Ich ging aus dem Jakuten-Viertel
vier Straßen weiter hinunter auf das Goldene Horn zu und fand in der
Yasin-Pascha-Moschee des Nachbarviertels den schwarzbärtigen Imam mit dem
gütigen Gesicht, der die dreisten Straßenköter mit einem Besenstiel aus dem
modrigen Hof der Moschee zu vertreiben versuchte. Der Vater meiner Base liege
im Sterben, so schilderte ich mein Anliegen, und sein letzter Wunsch sei die
Vermählung seiner Tochter mit mir, jener Tochter, die heute durch das Urteil
des Kadis von Üsküdar von ihrem im Krieg verschollenen Ehemann geschieden
worden sei. Auf den Einwand des Imams, eine Frau müsse den religiösen Vorschriften
folgen und einen Monat bis zu einer neuen Eheschließung warten, erwiderte ich,
eine Schwangerschaft sei ausgeschlossen bei Şeküre, da ihr vormaliger
Gatte bereits seit vier Jahren verschollen sei, und der Kadi von Üsküdar habe
die Frau gerade aus diesem Grund heute morgen geschieden, fügte ich hinzu und
wies ihm das entsprechende Dokument vor. Ich sagte, der Imam Efendi könne
sicher sein, daß einer neuen Eheschließung nichts im Wege stehe. Ja, die Braut
sei meine Verwandte, aber daß sie die Tochter meiner Tante sei, bedeute ja kein
Hindernis für die Heirat, ihre vorherige Ehe sei doch vollkommen aufgelöst und
es gebe zwischen uns weder einen Unterschied des Glaubens noch des Standes oder
des Vermögens. Wenn er die Goldstücke, die ich ihm entgegenhielt, im voraus
annehme und die Trauung auf der Hochzeitsfeier öffentlich vor allen Einwohnern
des Viertels vollziehe, dann werde er auch für die Witwe und ihre Waisen etwas
Gutes tun. Ob er wohl Pilaw mit Mandeln und getrockneten Aprikosen mochte, der
Imam Efendi?
    Er mochte ihn schon, doch sein Auge
war noch auf die Hunde im Hof gerichtet. Dann nahm er das Gold. Er werde sein
für Hochzeiten vorgesehenes Gewand anlegen, einen prüfenden Blick auf Haar,
Bart und Turban werfen und dann zur Trauung kommen. Er fragte nach dem Haus,
ich beschrieb ihm den Weg.
    Was kann für einen Bräutigam
natürlicher sein, als alle Aufregung und Gefahr zu vergessen, sich den sanften
Händen und der Redseligkeit eines Barbiers zu überlassen und sich einer Hochzeitsrasur
zu unterziehen, mag es mit der zwölf Jahre lang erträumten Eheschließung auch
noch so große Eile haben! Meine Füße trugen mich von selbst zu dem Barbier in
Aksaray auf der Marktseite jener Straße, in der das nunmehr verfallene und nach
unserer Kindheit von meinem seligen Oheim, meiner Tante und der schönen Şeküre
verlassene Haus stand. Der Barbier, dem ich vor fünf Tagen bei meiner Rückkehr
in die Stadt nach so vielen Jahren ins Auge geschaut hatte, umarmte mich
diesmal beim Eintreten, und als echter Barbier von Istanbul brachte er, statt
nach meinem Verbleib während der letzten zwölf Jahre zu fragen, das Gespräch
auf den neuesten Klatsch im Viertel und auf das Endergebnis, das auf jenen Ort
verwies, zu dem wir alle am Ende der bedeutungsvollen, Leben genannten Reise
hingelangen.
    Daß es war, als ob ich nicht vor
zwölf Jahren, sondern zuletzt vor zwölf Tagen hier gewesen war, könnte ich
nicht behaupten. Unser altgewordener Barbiermeister war dem Trunk verfallen,
wie sich aus dem zittrigen Tanz ergab, den das Rasiermesser in seinen mit
Altersflecken bedeckten Händen auf meinen Wangen vollführte, und er hatte einen
grünäugigen Knaben mit rosiger Haut und schön geschwungenen Lippen als
Lehrbuben .aufgenommen, der bewundernd zu seinem Meister aufschaute. Im
Vergleich zu der Zeit vor zwölf Jahren herrschten Sauberkeit und Ordnung im Laden.
Das Eimerchen, aus dessen Hahn kochendheißes Wasser lief, das meine Haare und
mein Gesicht fein sauber wusch, war an der Decke mit einer neuen Kette
befestigt worden. Die flachen alten Schüsseln waren verzinnt, das Kohlenbecken
war rein und ohne Rost, und die Rasiermesser mit Achatgriff waren scharf geschliffen.
Der Meister hatte sich einen sauberen Schurz aus Seidengewebe umgebunden, wozu
er vor zwölf Jahren zu faul gewesen wäre. Ich dachte, daß die Anstellung des
zartgliedrigen, für sein Alter recht hochgewachsenen Lehrlings in seinem Laden
und an ihm selbst für Sauberkeit

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