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Pamuk, Orhan

Pamuk, Orhan

Titel: Pamuk, Orhan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rot ist mein Name
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König, als auch ich selbst. Dieser Zustand machte mich
zugleich stolz und beschämt. Da sich diese beiden Gefühle die Waage hielten
und mich erleichterten, konnte ich an meiner neuen Position in dem Bild einen
schwindelerregenden Genuß empfinden. Um den Genuß vollständig zu machen, mußten
sämtliche Falten auf meinem Gesicht, in meinen Kleidern, die Schatten, die
Pickel und Geschwüre, alles von meinem Bart bis zum Tuchgewebe in allen Farben
und zu den kleinsten Einzelheiten mit der Kunstfertigkeit der fränkischen
Maler genau und fehlerlos wiedergegeben werden.
    Was meine alten Freunde betraf, die
das Bild betrachteten, so erkannte ich mit einer Mischung aus Angst und
Staunen auf ihren Gesichtern jenes unvermeidliche Gefühl von Eifersucht, das
uns alle auffrißt. Zu dem zornigen Abscheu, den sie für einen wie mich
empfanden, der bis zum Hals im Morast der Sünde steckte, gesellte sich auch ein
angstvoller Neid.
    »Während der Nächte, in denen ich
dieses Bild bei Lampenlicht anschaute, habe ich zum erstenmal gefühlt, daß
Allah mich verlassen hat und mir nur der Satan in meiner Einsamkeit ein Freund
sein könnte«, sagte ich. »Hätte ich wirklich im Mittelpunkt der Welt gestanden – was ich mir sehr wünschte bei jedem Blick auf das Bild –, hätte ich mich
trotz all der geliebten Dinge um mich herum, ja sogar trotz der Frau, die der
schönen Şeküre gleicht, und trotz meiner Derwischfreunde und dem
wundervollen Rot, welches das Bild beherrscht, noch einsamer gefühlt. Ich
fürchte mich nicht davor, eine Persönlichkeit und ein besonderer Mensch zu sein
oder daß andere sich vor mir verneigen und mich anbeten, im Gegenteil, das wünsche
ich mir.«
    »Du bereust also nichts?« fragte
Storch auf eine Art und Weise, als komme er gerade vom Freitagsgebet zurück.
    »Ich fühle mich wie der Satan,
nicht, weil ich zwei Menschen getötet habe, sondern weil ein solches Bildnis
von mir entstanden ist. Und ich vermute, daß ich die beiden umbrachte, um
dieses Bild schaffen zu können. Doch die Einsamkeit, die meine neue Lage mit sich
bringt, macht mir auch angst. Die fränkischen Meister nachzuahmen, ohne ihre
Kunstfertigkeit zu erreichen, versklavt den Illustrator noch stärker. Ich
möchte ausbrechen aus diesem Zustand. Im Grunde genommen habe ich die beiden
umgebracht, damit in der Buchmalerwerkstatt alles beim alten bleibt, wie euch
wohl klargeworden ist, und auch Allah hat es sicher so verstanden.«
    »Aber das wird uns alle in noch
größere Ungelegenheiten bringen«, stellte mein lieber Schmetterling fest.
    Ganz plötzlich packte ich den dummen
Kara, der noch immer in das Bild vertieft war, beim Handgelenk, drückte es fest
zusammen, preßte ihm meine Nägel ins Fleisch und verdrehte es. Der nur lose in
seiner Hand liegende Dolch fiel zu Boden. Ich griff danach und hob ihn auf.
    »Nun könnt ihr eure Sorgen nicht
mehr so einfach loswerden, indem ihr mich den Henkersknechten ausliefert«,
sagte ich und hielt die scharfe Spitze des Dolches über Karas Auge, als wolle
ich zustechen. »Gib die Federbuschnadel her!«
    Er holte sie mit der unverletzten
Hand hervor und gab sie mir, und ich steckte sie in meine Schärpe. Dann blickte
ich ihm geradewegs in die lammfrommen Augen.
    »Die schöne Şeküre tut mir
leid, weil ihr nichts weiter übrigblieb, als dich zu heiraten«, sagte ich.
»Wenn ich den Fein Efendi nicht hätte umbringen müssen, um euch alle vor dem
Verderben zu retten, wäre sie meine Frau und auch glücklich geworden. Die
ganzen Geschichten von den Kunstfertigkeiten der fränkischen Meister, die uns
ihr Vater erzählte, habe ich am besten verstanden. Deswegen hört mir gut zu,
was ich euch als letztes zu sagen habe: Für uns Meisterillustratoren, die wir
nur mit unserem Talent und unserer Ehre weiterleben wollen, ist hier kein Platz
mehr, das ist mir klargeworden. Falls wir wirklich darangehen, die fränkischen
Meister nachzuahmen, wie es der selige Oheim und unser Padischah wollten, dann
wird uns, wenn nicht jemand wie der Fein Efendi oder die Erzurumer, die ganz
berechtigte Feigheit in unserem Innern davon abhalten, dies bis zum Ende
durchzuführen. Auch wenn wir uns dem Teufel verschreiben und konsequent
weitergehen, unsere ganze Vergangenheit verraten und danach streben, einen Stil
und eine Persönlichkeit nach Art der Franken zu erwerben, wird uns das nicht
gelingen, wie auch jetzt mein Talent und meine Kenntnisse nicht reichten, um
mein eigenes Abbild zu malen. Aus der Primitivität des von

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