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Pamuk, Orhan

Pamuk, Orhan

Titel: Pamuk, Orhan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rot ist mein Name
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Tür.
    Sein Gesicht war geschwollen und
fleckig von der Schlägerei; seine Nase aufgeschnitten und blutig. Eine riesige
Wunde zog sich von der Schulter bis zum Nacken. Sein Hemd war überall in Rot getaucht
von seinem Blut. Wie der Ehemann in meinen Träumen, bedachte er mich mit einem
schwachen Lächeln, weil es ihm endlich gelungen war, heimzukehren.
    »Komm herein«, sagte ich.
    »Hol die Kinder«, sagte er, »wir
gehen nach Hause.«
    »Du bist nicht in der Lage, nach
Haus zu gehen.«
    »Du mußt ihn nicht mehr fürchten«,
erklärte er. »Es war Velican Efendi, der Perser.«
    »Olive ...« sagte ich. »Hast du den
armen Kerl getötet?«
    »Er ist mit einem Schiff von
Galeerenhafen aus nach Indien geflohen«, antwortete er und wandte die Augen
ab, da er wußte, er hatte seine Aufgabe nicht ganz erfüllt.
    »Kannst du bis nach Hause gehen?«
fragte ich. »Man sollte dir ein Pferd holen lassen.«
    Ich fühlte, daß er sterben würde,
wenn er nach Hause kam, und hatte Mitleid mit ihm. Nicht nur seines frühen
Todes wegen, sondern auch, weil er niemals glücklich gewesen ist. Aus der
Trauer und Entschlossenheit in seinen Augen erkannte ich, daß er nicht in
diesem fremden Haus sterben und sich eigentlich in diesem schrecklichen Zustand
allen Blicken entziehen wollte. Sie hoben ihn mit einiger Mühe auf ein Pferd.
    Auf dem Rückweg, den wir mit unseren
Bündeln in der Hand durch die Nebengassen nahmen, waren die Kinder zuerst viel
zu verängstigt, um Kara ins Gesicht zu schauen. Dennoch konnte er ihnen vom
Rücken des langsam ausschreitenden Pferdes herab erzählen, wie er dem gemeinen
Mörder ihres Großvaters das Spiel verdorben und mit ihm einen Schwertkampf
ausgefochten hatte. Ich sah, daß sie sich ein bißchen mehr für ihn erwärmten,
und flehte zu Allah, er möge Kara nicht sterben lassen.
    Bei unserer Ankunft zu Hause schrie
Orhan so fröhlich: »Wir sind daheim!«, daß ich in jenem Augenblick ahnte, der
Todesengel würde Erbarmen zeigen und Allah uns noch Zeit geben. Doch es steht
ja niemals fest, wen der Allmächtige wann und warum abberufen würde, wie ich
aus Erfahrung wußte, und so hegte ich nicht allzu große Hoffnungen.
    Wir hoben Kara mit Mühe und Not vom
Pferd, trugen ihn alle gemeinsam hinauf in Vaters Zimmer mit der blauen Tür und
legten ihn dort aufs Bett. Hayriye kochte Wasser ab und brachte es hoch. Wir
beide zerrissen und zerschnitten alles, was er anhatte, von seinem blutigen,
auf dem Fleisch klebenden Hemd über seine Schärpe, seine Schuhe bis zu seiner
Unterwäsche. Als wir die Fensterläden aufstießen, füllte die weiche, in den
Zweigen spielende Wintersonne das Zimmer, brach sich auf den Kannen, Töpfen,
Leim- und Tintenfäßchen, auf Glasstücken und Spitzmessern und erhellte Karas
totenbleiche Haut und seine kirsch- und fleischfarbenen Wunden.
    Ich tauchte Fetzen von Bettzeug in
heißes Wasser, rieb sie mit Seife ein und säuberte damit sorgfältig Karas Leib
gleich einem kostbaren alten Teppich und so zärtlich und liebevoll, als sei er
einer meiner Söhne. Wie es ein Arzt tun würde, reinigte ich die schreckliche
Wunde an seiner Schulter, ohne die Blutergüsse auf seinem Gesicht oder den
Schnitt in seinem Nasenloch unsanft zu berühren. Und wie ich es beim Waschen
der Kinder getan hatte, als sie klein waren, sang ich dabei eine Melodie und
sprach sinnlose Wörter dazu. Auch auf der Brust und an den Armen hatte er
Schnitte. Die Finger der linken Hand waren durch Bisse blau angelaufen. Die
Lappen, mit welchen ich seinen Körper säuberte, wurden zunehmend blutiger. Ich
berührte seine Brust, fühlte seinen weichen Bauch unter meiner Hand, schaute
lange, lange auf seinen Schwanz. Warum nennen ihn manche Poeten Rohrstift? Von
unten aus dem Hof kamen die Stimmen der Kinder.
    Als ich hörte, daß Ester mit ihrem
geheimnisvollen Getue und ihrer lustigen, neue Nachrichten versprechenden
Stimme in die Küche kam, ging ich hinunter.
    Sie war so aufgeregt, die Ester, daß
sie sofort drauflosredete, ohne mich zu küssen und zu umarmen: Man habe Olives
abgeschlagenen Kopf beim Tor der Buchmalerwerkstatt zusammen mit seinem Bündel
und den Bildern gefunden, die seine Schuld an den vergangenen Verbrechen
bewiesen. Er habe nach Indien fliehen, vorher aber noch ein letztes Mal zur
Werkstatt gehen wollen.
    Es gebe Zeugen: Hasan habe, als er
Olive dort erblickte, sein rotes Schwert gezogen und ihm den Kopf mit einem
Schlag abgehauen.
    Während sie das erzählte, dachte ich
darüber nach, wo mein

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