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Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer

Titel: Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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presste sich gegen das Mauerwerk und vergewisserte sich, dass niemand in der Nähe war, bevor er leise rief: »Vivana? Bist du da?«
    »Hallo, Liam«, lautete ihre Antwort. »Kannst du mir helfen?«
    Er setzte einen Fuß auf den Sockel und zog sich an der Statue hoch. Vivana reichte ihm erst ihre lederne Umhängetasche, bevor sie seine Hand ergriff und mit seiner Hilfe über die Mauer kletterte, wobei sie darauf achtete, sich nicht an den Eisendornen auf der Mauerkrone zu verletzen.
    »Es kann losgehen«, sagte sie und grinste ihn an. Sie hatte ihr Haar zusammengebunden und trug unauffällige Kleidung: Lederschuhe, ein graues Hemd und dunkle Hosen. »Hast du das javva ?«
    Er holte das Flakon aus seiner Hosentasche und schraubte es auf. Gespannt beobachtete sie, wie er das Fläschchen an seine Lippen setzte. Unwillkürlich musste er daran denken, wie Vivanas Tante gesagt hatte, einige der Ingredienzen seien giftig. Schließlich gab er sich einen Ruck und trank.
    Zuerst spürte er gar nichts. Dann durchlief ihn plötzlich ein fiebriger Schauer, zuerst heiß, dann kalt, und er fürchtete, das Gleichgewicht zu verlieren. Mit einer Hand hielt er sich an der Statue fest, während die Benommenheit langsam schwand. »Ist es normal, dass sich das so anfühlt?«
    »Keine Ahnung. Ich habe das Zeug auch noch nie probiert.«
    »Jetzt du.«
    Sie trank den Rest der Flüssigkeit und blinzelte, als das Elixier zu wirken begann.

    »Wenn wir alles richtig gemacht haben, dürften wir jetzt kein Spiegelbild mehr haben, oder?«, fragte Liam.
    »Ich habe meinen Handspiegel dabei. Drinnen können wir nachsehen.«
    Inzwischen war das seltsame Schwindelgefühl verschwunden. »Komm!« Im Schutz der Büsche gelangten sie zum Gesindeflügel, wo sie sich wenige Schritte von Liams Kammer entfernt hinter einer Hecke versteckten. Sein Fenster hatte er wohlweislich offen gelassen und festgebunden, damit es nicht im Wind klapperte. Mit klopfendem Herzen blickte er zu den Spiegelmännern vor der Tür des Traktes, von denen in der Dämmerung kaum mehr zu erkennen war als die beiden glitzernden Masken.
    »Warte«, sagte Vivana, als er loslaufen wollte. »Vergiss nicht, dass uns das javva nur unsichtbar macht. Hören können uns die Spiegelmänner weiterhin. Sei also leise.«
    So schnell es der Wind zuließ, eilten sie zum Fenster. Die Spiegelmänner bemerkten sie nicht - ob wegen des javva oder wegen der zunehmenden Dunkelheit, konnte Liam nicht beurteilen. Nacheinander kletterten sie hinein.
    »Was jetzt?«, fragte Vivana.
    »Zuerst müssen wir durch den Gesindeflügel. Um diese Zeit sollten die Bediensteten normalerweise alle in ihren Betten liegen, aber zur Sicherheit sollten wir noch etwas warten.«
    Sie öffnete ihre Tasche, holte den Handspiegel heraus und warf einen Blick hinein. »Es funktioniert! Hier, sieh es dir an.«
    Liam nahm den kleinen Spiegel und hielt ihn sich vor das Gesicht. Er zeigte das Fenster seiner Kammer. Von ihm selbst war nicht das Geringste zu sehen. Gänsehaut bildete sich an seinen Armen.
    Er gab Vivana den Spiegel zurück und lauschte an der Tür. Wenig später hörte er jemanden eine Melodie pfeifen: Hume,
der gerade zu seiner Kammer ging. Als seine Schritte verklungen waren, kehrte Stille ein. Nach einer Weile öffnete Liam die Tür.
    Auf dem Gang und im Gemeinschaftsraum war es dunkel. Außer dem Heulen des Windes hörte er nichts.
    Er lehnte die Tür an und wandte sich zu Vivana um. »Ich habe nachgedacht«, sagte er zögernd. »Vielleicht sollten wir auf deine Tante hören. Warum wartest du nicht hier, während ich das Buch suche?«
    »Was redest du da?«, erwiderte sie. »Ich komme mit dir.«
    »Aber ich will dich nicht in Gefahr bringen.«
    »Keine Sorge. Ich bin vorbereitet.« Aus der Tasche zog sie die Pistole ihres Vaters.
    Liam konnte kaum glauben, was er sah. »Bist du verrückt? Du kannst doch nicht mit einer Waffe herumlaufen!«
    »Und warum nicht?«, fragte sie ruhig.
    »Weil … Verdammt, kannst du überhaupt damit umgehen?«
    »Natürlich. Mein Vater hat es mir beigebracht. Inzwischen bin ich sogar besser als er.« Sie ließ die Pistole wieder in der Tasche verschwinden. »Wollen wir reden oder endlich losgehen?«
    Liam gab auf. Im Grunde wollte er gar nicht, dass Vivana hier blieb. Schließlich brauchte er jede Hilfe, die er bekommen konnte. Und was die Waffe betraf - vielleicht würde sie sich als nützlich erweisen, obwohl er inständig hoffte, dass es nicht dazu kam. »Hast du noch etwas in deiner

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