Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer

Titel: Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
Vom Netzwerk:
metaphysischen Symbolen versehen, glühten vor Hitze. Ventile zischten. Zahnräder trieben die Pumpen an. Blubbernde Flüssigkeiten quollen durch Rohre aus Kupfer und Glas und plätscherten in bauchige Kessel, die an feuchten Ketten über den Kohlepfannen hingen. Der mächtigste Kessel stand in der Mitte des Saales, ein Monstrum von der Größe einer Droschke, von dem grünlicher Dampf aufstieg.
    Lautlos huschte Lucien hinein, verbarg sich hinter Pumpzylindern, Öfen und gebündelten Rohren, die wie Pfeiler aus dem Boden ragten. Als er ein Brüllen hörte, blieb er stehen und spähte zu einer Ecke des Saals.
    Dort stand ein Käfig, in dem ein Mantikor gefangen war.
    Das Ungeheuer brüllte noch einmal und warf seinen Löwenkörper gegen die Eisenstäbe, sein Skorpionstachel zuckte wütend. Unter normalen Umständen hielt kein Gefängnis dieser Welt einen Mantikor lange auf. Dieser jedoch war bereits zu geschwächt, um etwas gegen das Gitter auszurichten. Blutige Striemen verliefen kreuz und quer über seinen Leib, sein Fell war stumpf, die Schwingen waren zerrupft und löchrig.
    Lucien konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal einen echten Mantikor gesehen hatte. Vielleicht vor hundertfünfzig,
zweihundert Jahren. Sie waren selten geworden, und er schätzte, dass es auf der ganzen Welt noch höchstens zwei Dutzend dieser furchterregenden Kreaturen gab. Es musste extrem aufwendig gewesen sein, ihn zu finden und zu fangen.
    Beim Anblick des Geschöpfs verspürte Lucien einen Anflug von Mitleid. Nicht mehr lange, und Torne hatte den Mantikor gebrochen. Vielleicht steckte seine Lebenskraft schon nächste Woche in einer Bleiphiole.
    In diesem Moment entdeckte er den Alchymisten.
    Torne saß an einem Tisch, tauchte seinen Federkiel in ein Tintenfass und schrieb. Eine silbrige Robe verhüllte seinen mageren Leib, die Füße steckten in Schnabelschuhen, das Haar bildete verfilzte Büschel, wo es nicht längst ausgefallen und wunden Flecken gewichen war.
    Lucien lächelte. Er hätte nicht erwartet, dass es so einfach werden würde.
    Er pirschte sich an den Alchymisten heran, bis er zwei Schritte hinter ihm stand. »Schlaf«, sagte er.
    Torne erschlaffte, sein Kopf sank auf das Pergament.
    Behutsam setzte Lucien Torne aufrecht hin, dann löste er sein Seil vom Gürtel und fesselte die Arme des Alchymisten hinter der Stuhllehne, bevor er zur Seite trat und den schlafenden Mann betrachtete.
    »Was bist du doch für ein abgrundtief hässlicher Kerl«, murmelte er.
    Torne war recht groß und so dünn, dass sich überall unter der Robe seine Knochen abzeichneten. Seine Wangenknochen stachen hervor, sein dünner Bart glich einem umgedrehten U und reichte bis zu seinem Schlüsselbein. Die jahrzehntelange Arbeit mit giftigen und ätzenden Substanzen war nicht spurlos an ihm vorübergegangen: kaum eine Stelle seiner Haut, die nicht von Ausschlag und nässenden Pusteln bedeckt war.
    Plötzlich bekam das Gesicht des Alchymisten Risse, wie
Lehm, der in der Sonne trocknete. Die Haut blätterte ab, und darunter kam das weißhäutige Antlitz eines Jünglings zum Vorschein, der nicht die geringste Ähnlichkeit mit Torne hatte.
    Lucien keuchte. Ein verdammter Doppelgänger! Mit dem Messer in der Hand wirbelte er herum, doch es war bereits zu spät. Glas zerplatzte vor seinen Füßen, grüner Rauch wallte auf. Er wich zurück und wedelte mit der Hand, vergebens. Der Rauch bildete tentakelähnliche Schwaden, die seine Arme und Beine umschlangen. Das Messer entglitt seiner Hand, er fiel zu Boden. Der Rauch hielt ihn wie ein Netz fest. Seine Haut brannte, wo die grünen Stränge sie berührten.
    Ein Kichern erklang.
    Lucien hob den Kopf, soweit es die Fesseln zuließen. Der echte Silas Torne stand in dem riesigen Kessel. Ölige Flüssigkeit rann über seinen nackten, von Geschwüren übersäten Körper. Seelenruhig entstieg er seinem widerwärtigen Bad, trocknete sich ab und schlüpfte in einen Mantel.
    »Lucien, Lucien«, sagte er, während er herkam. »All die Jahre versuche ich, dich zu fangen, und dann spazierst du einfach hier herein. Was für ein ungewöhnlicher Glücksfall.«
    Lucien blieb reglos liegen. Je heftiger er gegen den Rauch ankämpfte, desto schlimmer brannte seine Haut. Außerdem lähmte der Rauch seine Albenkräfte. »Wer hat mich verraten?«, ächzte er.
    »Niemand. Aber um Silas Torne zu übertölpeln, muss man früher aufstehen. Von einem Meisterdieb deines Formats hätte ich eigentlich mehr erwartet.«
    Der

Weitere Kostenlose Bücher