Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen
ihre Aufgabe, auf die Träume aufzupassen, oder?«
»Wenn nicht einmal Aziel damit fertiggeworden ist, wie soll
es einer Sterblichen gelingen?«, erwiderte Lucien. »Niemand kann die Träume ohne die Alben beherrschen. Lady Sarka überschätzt ihre Macht.«
»Das heißt, ihre Kräfte sind nutzlos?«, fragte Madalin. »Sie kann uns nicht damit schaden?«
»Da wäre ich mir nicht so sicher. Aber das ist nebensächlich. Sie wird den Verfall der Träume nicht aufhalten können. Das ist die eigentliche Gefahr.«
Vivana griff nach Liams Hand. Angesichts der Bedrohung, die Lucien schilderte, kamen ihr ihre Erlebnisse im Pandæmonium und die Gefahren, die sie gemeistert hatte, unbedeutend und klein vor. Mit ihrer Furcht war sie nicht allein. Aus den Gesichtern der Manusch sprach nackte Angst.
»Sollen wir ihnen von den Rissen erzählen?«, flüsterte sie ihrer Tante zu.
Die Wahrsagerin nickte. »Leider gibt es noch mehr Besorgnis erregende Neuigkeiten«, wandte sie sich an die Anwesenden. »Auf dem Rückweg zum Tor haben wir in den Grenzmauern des Pandæmoniums Risse gesehen. Sie müssen sich gerade erst gebildet haben, denn bei unserer Ankunft waren sie noch nicht da.«
»Was meinst du mit Rissen?«, fragte Bajo.
»Bruchstellen. Es sieht so aus, als würden die Mauern durchlässig werden. Die Dämonen haben sie auch schon bemerkt. Offenbar hoffen sie auf eine Gelegenheit, ins Diesseits einzudringen. «
»Könnten sie das schaffen?«
»Schwer zu sagen. Vielleicht handelt es sich dabei um ein vorübergehendes Phänomen, und die Risse bilden sich mit der Zeit wieder zurück.«
»Und wenn nicht?«
»Zuerst müssen wir mehr darüber wissen. Lucien will uns dabei helfen.«
Bajos Leute begannen, aufgeregt durcheinanderzureden. Die Möglichkeit, Dämonen könnten aus dem Pandæmonium ausbrechen, hatte sie zutiefst erschreckt, mehr noch als die Gefahr, die von Lady Sarka ausging.
»Willst du immer noch mit Aziel sprechen?«, fragte Vivana Lucien, als niemand auf sie achtete.
»Ja. Und es ist wohl am besten, ich gehe gleich. Hier scheint alles gesagt zu sein.«
»Sei vorsichtig, ja?«
Er lächelte zum Abschied und verschwand.
Vivana vermisste ihn schon jetzt. Lucien und sie waren während ihrer Wanderung durch das Pandæmonium gute Freunde geworden, und sie hoffte inständig, dass er sich nicht in Gefahr begab, wenn er Aziel aufsuchte.
Liam blickte die leere Stelle an, wo der Alb eben noch gewesen war. Er wirkte verwirrt und verstört von den beunruhigenden Entwicklungen der vergangenen Wochen und den vielen schlechten Neuigkeiten. Er hatte sich noch lange nicht von den Auswirkungen der Besessenheit erholt, auch wenn er das Gegenteil behauptete.
»Willst du dich hinlegen?«, fragte sie besorgt.
»Nein, es geht schon.« Er lächelte schief. »Es ist nur alles ein bisschen viel auf einmal.«
Währenddessen war es Tante Livia gelungen, die Manusch zu beruhigen. Bajo war der Erste, der Luciens Fehlen bemerkte.
»Wo ist der Alb?«
»Er ist gegangen«, erklärte Livia. »Es gibt wichtige Dinge, um die er sich kümmern muss.«
»Was ist mit uns?«, fragte Madalin. »Was können wir tun?«
»Ich könnte mit Jackon reden«, schlug Liam vor. »Er ist mein Freund. Vielleicht kann ich ihn davon abbringen, für Lady Sarka zu arbeiten.«
»Zu gefährlich«, sagte Vivanas Vater. »Was, wenn er dich an die Lady verrät?«
»Das würde Jackon nicht tun.«
»Bist du sicher? Wie gut kennst du ihn denn?«
Darauf wusste Liam nichts zu sagen. »Trotzdem wäre es einen Versuch wert«, meinte er schließlich. »Immerhin war er es, der Lady Sarka zur Herrin über die Träume gemacht hat. Vielleicht kann er es wieder rückgängig machen.«
»Die Idee ist nicht dumm«, erwiderte Tante Livia. »Vorher sollten wir aber herausfinden, was es mit dem Gelben Buch auf sich hat.«
Liams Augen weiteten sich, als die Wahrsagerin das Buch vor den Manusch erwähnte. Seine Suche danach war stets sein Geheimnis gewesen.
»Keine Sorge«, raunte Vivana ihm zu. »Bajos Leute sind unsere Freunde. Du kannst ihnen vertrauen.«
Liams Argwohn verschwand nicht gänzlich. »Vivana und ich haben das Buch gefunden«, sagte er zu Livia. »Wir entscheiden, was damit geschieht.«
»Natürlich«, stimmte die Wahrsagerin zu. »Aber du hast mir etwas versprochen. Ich möchte das Buch studieren, sowie wir es entziffert haben.«
Liam nickte. »Das habe ich nicht vergessen.«
Vivana wandte sich an ihren Vater. »Hast du nicht gesagt, du würdest jemanden
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