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Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen

Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen

Titel: Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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zusammengekniffenen Lippen erhob er sich. »Ich gehe dann mal.«
    »Paps?«
    Er wandte sich zu ihr um.
    »Du schaffst das schon.«
    Nachdem er gegangen war, schlüpfte Vivana wieder unter die Decke und betrachtete das Feuer. Sah zu, wie die Flammen aufloderten und zusammenfielen, immer neue Formen und seltsame Landschaften bildeten und mit ihrer Glut das Holz aufzehrten. Manchmal war ihr, als könne sie Bilder darin sehen, flüchtige Erinnerungen und geisterhafte Phantasmagorien, die aufflackerten und wieder verschwanden. Ich sollte Angst haben , dachte sie, während ihr die Lider immer schwerer wurden. Warum habe ich keine?

    Sie schlief ein und träumte, sie stünde mit Liam auf dem Phönixturm, hoch über den Dächern der Stadt und ganz nah am Himmel.
    Staunend betrachtete Jackon sein Seelenhaus.
    Es war schon wieder gewachsen. Während in der Nachbarschaft alles verfiel, wurde es größer und größer. Aus dem schlichten Häuschen war ein ansehnliches Anwesen mit Erkern und drei Stockwerken geworden. Wenn es so weiterging, überragte es bald alle Gebäude in der Straße.
    Bei allem Stolz war Jackon auch ein wenig unbehaglich zu Mute. Vermutlich hatte Lady Sarka recht und das Seelenhaus spiegelte nur sein gewachsenes Selbstvertrauen wider. Doch ganz natürlich erschien ihm dieser Vorgang nicht. Seelenhäuser sollten nicht so schnell wachsen.
    Aber immer noch besser, als wenn es verfiel, wie der Rest der Stadt. Seufzend wandte er sich ab und machte sich bereit zum Sprung.
    Lady Sarka hatte ihm befohlen, Nacht für Nacht die Seelenhäuser von Liam, Nestor Quindal und Vivana zu beobachten und ihr zu melden, falls einer der drei wieder anfing zu träumen. Nicht gerade ein spannender Auftrag. Es war Wochen, wenn nicht Monate her, dass sie das letzte Mal geträumt hatten, und Jackon ging nicht davon aus, dass sich das so bald ändern würde. Aber Befehl war Befehl.
    Er landete vor der Sternwarte und stapfte lustlos zum Eingang. Gerade als er die Tür öffnen wollte, sah er ein Flackern im Fenster.
    Jackon traute seinen Augen nicht. Bilder formten sich wie Blasen aus der Traumsubstanz und füllten die Zimmer und Flure, die so lange leer gewesen waren. Mit einem Freudenschrei auf den Lippen riss er die Tür auf. Nun gab es endgültig keinen Zweifel mehr, dass Liam lebte.

    Dunkelheit umfing ihn, als er die Sternwarte betrat. Gestalten huschten durch die Finsternis und flüsterten in den Schatten titanischer Ruinen. Riesige Schwingen schlugen, Mäuler voller Zähne blitzten auf. Es waren unheilvolle Träume, die Liam heimsuchten, Albträume aus den Abgründen seiner Erinnerungen. Was hatte er Schreckliches erlebt, dass ihn solche Bilder quälten?
    Jackon machte sich auf die Suche nach seinem Freund, blieb jedoch nach ein paar Schritten stehen. Ihm bot sich die Gelegenheit, die er herbeigesehnt hatte, die Chance, mit Liam zu sprechen, bevor Corvas und seine Krähen ihn fanden. Aber damit würde er Lady Sarka hintergehen. Wollte er das wirklich tun?
    Es hatte sich herausgestellt, dass er weniger über Liam wusste, als er glaubte. Besser, er beobachtete eine Weile seine Träume, bevor er sich ihm zeigte. Fand heraus, wer Liam wirklich war, ehe er mit ihm sprach. Lady Sarka brauchte vorerst nichts von seiner Entdeckung zu wissen. Er musste nicht befürchten, dass sie ihm auf die Schliche kam – ohne seine Hilfe fand sie die Sternwarte nie.
    Jackon stahl sich davon, huschte durch die nachtschwarzen Ruinen. Schlüpfte durch die Tür und schloss sie leise. Durch ein Fenster beobachtete er, wie Liam durch seine Träume irrte, allein, verloren und verzweifelt.

30
Vorod Khoroj
    S timmen weckten Vivana. Sie stellte fest, dass sie zusammengekauert im Ledersessel lag. Sie war zu müde gewesen, ins Bett zu gehen, und vor dem Kamin in ihren Kleidern eingeschlafen.
    Das Feuer war längst erloschen; graues Tageslicht drang durch die Fenster. Verschlafen setzte sie sich auf, strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und spähte aus verquollenen Augen über die Sessellehne.
    Madalin, Livia und die Kinder kamen herein. »Du bist ja wach«, sagte ihre Tante. »Komm, ich habe uns Frühstück gemacht. «
    »Wie spät ist es?«
    »Nach acht. Die anderen sind auch gerade erst aufgestanden. «
    Sie hatte mehr als vierzehn Stunden geschlafen. An ihre Träume konnte sie sich kaum erinnern. Sie hatte von Liam geträumt und vom Phönixturm, aber mit der Zeit war es immer wirrer geworden. Vielleicht erging es ihr nun so wie Bajo und seinen Leuten.

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