Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen
erfahren hatte. »Und jetzt weißt du es wieder?«
»Es wird besser.« Dabei drehte er seine Hand von einer Seite auf die andere und betrachtete sie, als frage er sich, ob sie wirklich Teil seines Körpers war.
Vivana starrte ihre Schuhe an. Sie konnte Liam nicht ansehen. Ihre Gefühle für ihn waren noch zu verwirrend, zu widersprüchlich. Sie räusperte sich. »Kurz, nachdem wir dich gefunden haben, hat der Dämon etwas zu mir gesagt. Dass du nichts für mich empfinden würdest … Und dass du nur so getan hättest, damit ich dir helfe.«
»Er hat gelogen.«
»Aber er hat geklungen wie du.«
»Ich liebe dich«, sagte Liam schlicht. »Egal, was der Dämon gesagt hat.«
Und seine Hand fand ihre, hielt sie fest.
Vivana wollte ihn in die Arme schließen, ihn küssen. Sie spürte jedoch, dass er noch nicht so weit war, dass er Zeit brauchte. Deshalb blieb sie neben ihm sitzen und hielt seine Hand, und es genügte ihr.
Ich liebe dich.
Nach einer Weile fragte Liam: »Was ist im Palast passiert, nachdem Seth mich angegriffen hat?«
»Lucien hat Aziel verletzt. Er und Seth sind verschwunden. Als sie weg waren, haben die Spiegelmänner die Ghule in die Flucht geschlagen.«
»Was ist mit Jackon? Hat er überlebt?« »Ich weiß es nicht. Lady Sarka hat ihn zu ihrem Leibarzt bringen lassen. Ob er es geschafft hat – keine Ahnung. Lucien und ich sind gleich am nächsten Tag zum Tor gegangen.«
Liam kaute nervös auf der Lippe. Offenbar machte er sich Sorgen um Jackon. Der Rothaarige und er waren enge Freunde gewesen.
Plötzlich weiteten sich seine Augen. »Das Buch! Wo ist es?«
»Keine Angst, wir haben es gefunden. Es ist in meiner Tasche. Vater passt darauf auf.«
»Tessarion sei Dank«, murmelte er erleichtert.
»Kannst du dich an gar nichts mehr erinnern, was im Pandæmonium passiert ist?«, fragte Vivana.
»Das Letzte, was ich weiß, ist, dass der Dämon aufgetaucht ist. Danach wird es … verschwommen. Ich war ein Gefangener in meinem eigenen Körper. Manchmal habe ich Stimmen gehört und Dinge gesehen. Aber vielleicht habe ich es mir auch nur eingebildet.«
»Reden wir nicht mehr davon, in Ordnung?«
»In Ordnung«, sagte Liam, allerdings schien es ihm schwerzufallen, sich von den Erinnerungen zu lösen. »Ich frage mich,
was aus Seth wurde. Meinst du, er weiß, dass ich noch mal davongekommen bin?«
»Seth ist tot«, erwiderte Vivana.
Überrascht blickte er sie an.
»Wir haben ihn im Pandæmonium getroffen. Es kam zum Kampf, und wir haben ihn getötet.« Sie verschwieg ihm, dass sie es war, die den Incubus erschossen hatte. Die Manusch mochten das für eine Heldentat halten, sie selbst war nicht gerade stolz darauf.
»Ich muss zugeben, dass ich darüber nicht gerade unglücklich bin.« Liam verzog den Mund. »Kein schöner Zug von mir, was?«
»Er war ein Dämon. Er verdient kein Mitleid.« Nicht einmal zwei Wochen war es her, dass sie entsetzt gewesen war, als Lucien etwas ganz Ähnliches zu ihr gesagt hatte. Das Pandæmonium hatte sie verändert, hatte sie härter gemacht. Vivana wusste nicht, ob sie dagegen ankämpfen oder sich einfach damit abfinden sollte. Aber vermutlich hatte sie gar keine Wahl. Es war zu viel geschehen. Es gab kein Zurück mehr.
In diesem Moment klopfte es, und Lucien kam herein. »Störe ich?«
Vivana schüttelte den Kopf.
»Kannst du aufstehen?«, wandte sich der Alb an Liam.
»Sicher.«
»Gut. Dann kommt in den Saal. Wir müssen einiges besprechen. «
Liam war noch unsicher auf den Beinen. Er ergriff Vivanas Hand, während sie nach draußen gingen. Als sie den Saal betraten, richteten sich alle Augen auf ihn. Bajos Leute, aber auch Madalins Brüder, empfanden sichtliches Unbehagen in seiner Gegenwart. Die Manusch fürchteten Dämonen mehr als alles andere. Es würde eine Weile dauern, bis sie eingesehen hatten, dass von Liam keine Gefahr mehr ausging.
Auf den Tischen standen Krüge mit Ale und Platten mit Brot, Käse und Fleisch. Der Bratenduft erinnerte Vivana an den Geruch des verbrannten Herzens, und ihr verging augenblicklich der Appetit.
»Setzt euch«, sagte Livia. »Bajo hat Neuigkeiten für uns.«
Sie nahmen an dem Tisch Platz, an dem Vivanas Familie saß.
»Während ihr fort wart, sind in Bradost merkwürdige Dinge geschehen«, begann Bajo. »Fast jeder wird Nacht für Nacht von beunruhigenden Träumen heimgesucht. Viele haben seit Wochen nicht mehr richtig geschlafen. Ihr solltet mal sehen, was auf den Straßen los ist. Die Leute sind so gereizt,
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