Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen
Gesicht. Er wirkte unsagbar müde. »Ich schätze, wir haben keine andere Wahl. Am besten gehen wir gleich, bevor wir Bajo noch in Gefahr bringen.«
Der Aethermann blickte Livia und Madalin an. »Ihr müsst mitkommen. Corvas wird früher oder später auch nach euch suchen.«
Damit hatte die Wahrsagerin offenbar gerechnet. Sie nickte. »Hol die Kinder«, bat sie Madalin.
»Was ist mit Bajo?«, fragte dieser.
»Wir bleiben hier«, erwiderte der stämmige Manusch. »Ich verlasse mein Haus nicht wegen ein paar Krähen und Spiegelmännern. «
»Bist du sicher? Was, wenn die Geheimpolizei auftaucht und euch verhören will?«
Bajo grinste breit. »Macht euch um uns keine Sorgen. Wir haben keine Angst vor diesem Pack. Wir sind bis jetzt immer mit ihnen fertiggeworden.«
Seine Brüder und Verwandten stimmten ihm grimmig nickend zu.
»Also gut«, sagte Livia. »Wir danken dir für alles, Bajo. Was ihr für uns getan habt, werden wir euch nie vergessen.«
Kurz darauf kam Madalin mit den Kindern zurück, und der große Abschied begann. Jähe Traurigkeit überkam Vivana, als sie sich unwillkürlich fragte, ob sie Bajo und seine Leute je wiedersehen würde. Vielleicht war es nur eine kurze Trennung, vielleicht überlebte keiner von ihnen die nächsten Tage. Beides war möglich. Niemand vermochte zu sagen, wie die Zukunft aussah.
Wenig später hatten sie ihre wenigen Habseligkeiten gepackt und verließen das Haus unauffällig durch den Hinterhof. Godfrey führte sie am Kanal entlang und wollte gerade in eine dunkle Gasse einbiegen, als Liam ihn am Arm festhielt.
»Da.« Er deutete zum Himmel, an dem mehrere Krähen kreisten.
Rasch versteckten sie sich unter einem Dachvorsprung. Madalin und Livia drückten die Kinder an sich und redeten beruhigend auf sie ein.
»Wie weit ist es bis zu deinem Versteck?«, fragte Lucien leise.
»Es liegt unter dem Kessel«, antwortete Godfrey.
»Aber das schaffen wir nie!«, stieß Vivanas Vater hervor. »Wahrscheinlich wimmelt es im Labyrinth nur so von Krähen. «
»Deswegen gehen wir durch die Katakomben.«
Sie warteten, bis die Vögel verschwunden waren, und huschten die Gasse entlang. Schließlich kamen sie zu einem rostigen Gitter im Kopfsteinpflaster. Godfrey hob es aus dem Rahmen, als wäre es aus Pappe. Ein Beweis seiner außergewöhnlichen Körperkraft.
»Hinunter mit euch. Du zuerst«, wies der Aethermann Vivana an.
Sie setzte einen Fuß auf die oberste Sprosse der eisernen Trittleiter, die an der Schachtwand befestigt war, und stieg vorsichtig in die Dunkelheit hinab. In der Tiefe rauschte Wasser; es roch nach Fäulnis, Exkrementen und Moder.
Vivana schluckte und kletterte weiter.
34
Die Jagd beginnt
W o ist das Buch?«
Lautlos wie eine Erscheinung aus der Schattenwelt trat Lady Sarka ins Licht. Das eisblaue Glühen der Lampen nahm ihren Gesichtszügen jegliche Weichheit, sodass sie wie aus Marmor gemeißelt wirkten. Jackon war so nervös, dass er am liebsten aus dem Saal geflohen wäre.
Glücklicherweise übernahm Umbra das Reden. »Wir suchen noch danach, Herrin.« Ihre Stimme klang ruhig, doch die verkrampften Schultermuskeln verrieten ihre Anspannung. »Wir haben die Arbeiter in Quindals Werkstatt verhört, aber niemand weiß, wo er und seine Tochter sich aufhalten. Corvas hat ein Luftschiff mit seinen Leuten nach Torle geschickt. Sie wollen überprüfen, ob Quindal wirklich Familie dort hat, wie er behauptet. Vielleicht versteckt er sich da.«
Lady Sarkas Robe strich leise über den Teppich. »Und sein Haus? Ihr habt es durchsucht, hoffe ich.«
»Von oben bis unten. Das einzig Verdächtige, was wir gefunden haben, ist ein geheimer Keller.«
»Aber kein Buch.«
Umbra nickte. »Kein Buch.«
Die Lady schritt an einer Vitrine vorbei und strich sanft mit den Fingerkuppen über die Holzkante, als wolle sie nachprüfen, ob die Diener sorgfältig Staub gewischt hatten. »Und nun, Umbra?«
»Wir suchen weiter, Herrin. Es gibt eine Reihe von Hinweisen, denen wir nachgehen werden. Wir befragen jeden, mit dem Quindal in den letzten Jahren privat und geschäftlich verkehrt hat.«
»Und wenn ihr wieder nichts findet?«
»Das wird nicht geschehen.«
»Das hoffe ich. Denn allmählich wird es ein wenig peinlich, meine Liebe.«
Seit zwei Tagen war das Leben im Palast unerträglich. Je länger sich die Suche nach dem Buch hinzog, desto schlechter wurde Lady Sarkas Laune. Erschwerend kam hinzu, dass sie in den Träumen keine nennenswerten Fortschritte machte. Gestern
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