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Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen

Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen

Titel: Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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schläft. Wenn Gefahr droht, wecke ich ihn. Einverstanden, Liam?«
    Es war noch keine zwei Stunden her, da hatte Liam gedacht, Jackon wäre sein Freund – und jetzt brauchte er auf einmal ein Schattenwesen, das ihn vor dem Rothaarigen beschützte. »Wenn ihr das für nötig haltet«, meinte er. Dann schob er seinen Stuhl zurück und stand auf.
    »Wo willst du hin?«, fragte Vivana.
    »Ich muss ein paar Minuten allein sein«, murmelte Liam und schlurfte zu seiner Unterkunft.
    Eine Stunde später saß Lucien in einer Ecke der Halle und schärfte seine Messer. Es half ihm beim Nachdenken.
    Seine menschlichen Gefährten taten ähnliche Dinge. Einige hatten sich hingelegt, andere schlugen die Zeit tot, indem sie ihre Kleider wuschen oder Geschirr spülten. Jeder versuchte auf seine Weise, mit der Ausweglosigkeit fertigzuwerden. Sie taten ihm leid. Er konnte in der Anderwelt Zuflucht suchen, wenn es ihm in der Welt der Menschen zu gefährlich wurde. Alles, was er dafür tun musste, war, mit dem Harlekin zu reden. Seine Freunde hatten diese Möglichkeit nicht. Sie mussten hierbleiben, egal, was geschah.
    Er war zornig. Auf sein Volk, auf Lady Sarka, auf alle, die die Verantwortung dafür trugen, dass es so weit gekommen war. Auch auf sich selbst, weil er nicht früher eingegriffen hatte.
    Aber vielleicht gab es noch eine winzige Chance.

    Lucien dachte an Geschichten, die so alt waren, dass sich kaum jemand an sie erinnerte. An Spiegel in der Dunkelheit. Bleiche Gesichter. Vergessene Flüche.
    Vielleicht konnten sie helfen. Allerdings verlangten sie immer einen Preis.
    Er brauchte mehr Zeit. Musste sich umhören, Nachforschungen anstellen, Gefahren abwägen.
    Der Wetzstein glitt über schimmernden Stahl, vom Heft zur Spitze, wieder und wieder.

39
Der Preis der Macht
    M it hochgezogenen Schultern und gesenktem Kopf stapfte Jackon durch den Nieselregen, die Fäuste in den Manteltaschen geballt, die Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst. Die Nässe durchweichte seine Kleidung und drang ihm bis auf die Haut, doch er spürte sie genauso wenig wie den feuchtkalten Wind, der ihm ins Gesicht blies.
    Gemeinsam schaffen wir es vielleicht, sie aufzuhalten , hallten Liams Worte in ihm nach. Sieh doch, was sie aus Bradost gemacht hat … Eine Despotin … Eine Mörderin …
    So redete ein Verschwörer, ein Aufrührer und Verräter. Die Attentäter hatten sich wahrscheinlich genauso angehört, als sie zusammensaßen, um den Mordanschlag auf Lady Sarka zu planen. Unfassbar, dass Liam glaubte, er könnte ihn dazu bringen, bei so einer törichten und irrwitzigen Idee mitzumachen. Er musste ihn für einen Narren und Einfaltspinsel halten, schlimmer noch: für jemanden, der mir nichts, dir nichts jemanden verriet, der so viel für ihn getan hatte.
    Dabei war Liam immer so vernünftig gewesen. Als Jackon heute Morgen zur Gießerei gegangen war, hatte er keinen Moment daran gezweifelt, dass er seinen alten Freund davon überzeugen könnte, das Buch zurückzugeben. Nicht im Traum hatte er mit so viel Zorn und Verbitterung gerechnet. Gewiss, Liam hatte seinen Vater verloren, aber deshalb warf man doch nicht gleich sein ganzes Leben fort. Außerdem war es ungerecht,
Lady Sarka die Schuld daran zu geben. Hätte Liams Vater nicht nach dem Buch gesucht, wäre er noch am Leben. Deswegen gegen die Lady zu kämpfen, war nicht nur falsch, es war einfach dumm.
    So dumm …
    Die Wut, die Jackon beim Verlassen der Gießerei verspürt hatte, wich dumpfer Traurigkeit. Liam hatte ihm klargemacht, wo er stand, und würde seine Meinung niemals ändern. Er hasste Lady Sarka und war ihr Feind.
    Wie konnten sie unter diesen Umständen Freunde sein?
    Die Antwort war so simpel wie eindeutig: gar nicht. In dem Augenblick, als er durch die Tür gegangen war, hatte er den einzigen Freund verloren, den er je gehabt hatte.
    Wie betäubt schlurfte er durch die Altstadt, nahm keine Notiz von den Menschen in den Gassen, bemerkte es nicht, wenn jemand ihn grüßte. Das Palastgebäude betrat er durch einen Nebeneingang, den weder die Diener noch Umbra und die anderen je benutzten. Er wollte niemandem begegnen, mit niemandem sprechen. In seinem Zimmer schloss er die Tür hinter sich ab, zog seine nassen Sachen aus und legte sich aufs Bett.
    Feine Regentropfen prasselten gegen die Fensterscheiben. Hinter den Wasserschlieren auf dem Glas wirkten die Bäume und die fernen Stadthäuser verschwommen und unwirklich, wie ein Gemälde, dessen Farben verliefen.
    Er

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