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Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen

Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen

Titel: Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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Vivana all ihren Mut aufbringen musste, um nicht davonzulaufen. Sie presste Ruac an sich, der vor Schreck erstarrt war.
    Als das erste Geistwesen in die Nähe des Kerzenscheins geriet, riss es die Augen auf und öffnete den Mund zu einem lautlosen Schrei. Anschließend ergriff es die Flucht. Die Übrigen erkannten die Gefahr und verharrten in sicherem Abstand zum Lager. Sie machten Drohgebärden, ihre Lippen formten stumme Flüche.
    Vivana wagte kaum zu atmen. »Was machen wir jetzt?«, flüsterte sie.
    »Gar nichts. Mit der Zeit verlieren sie das Interesse an uns. Wenn sie uns vergessen haben, sehen wir zu, dass wir von hier verschwinden.«
    Genauso kam es. Nach und nach zogen sich immer mehr Seelen zurück, bis nach etwa einer Stunde die letzten verschwunden waren. Vivana sah, dass sie zur Straße zurückgekehrt waren oder ziellos über die Ebene schlurften, bis der allgegenwärtige Dunst sie verschlang.
    Lucien löschte die Kerze. Er verlor kein Wort darüber, aber ihr war nicht entgangen, dass der Talgstummel um ein Viertel heruntergebrannt war. Lange würde die Kerze also nicht halten. Wenn sie aufgebraucht war – was dann?
    Kurz darauf erwachte ihr Vater. Vivana spannte ihren Körper an, als er sich mit verkniffener Miene aufsetzte. »Was ist passiert?«, fragte er krächzend.
    »Du wolltest Ruac umbringen. Lucien musste dich betäuben. «
    Sein Blick fand den Alb. Vivana rechnete mit einem erneuten Zornesausbruch, doch der Erfinder wirkte eher zerknirscht als wütend. »Das wollte ich nicht. Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist …«

    »Die böse Energie war daran schuld. Du kannst nichts dafür. «
    Er rieb sich den schmerzenden Hinterkopf, argwöhnisch beäugt von Ruac, der auf Vivanas Schoß saß. »Ich habe dir doch nichts getan, oder?«
    »Nein. Ist jetzt wieder alles in Ordnung?«
    Zu ihrer Erleichterung nickte er. »Danke«, sagte er widerwillig zu Lucien.
    Der Alb reichte ihm wortlos den Wasserschlauch. Gerade als ihr Vater daraus trinken wollte, schien ihm klar zu werden, wo er sich befand. Er stand auf und schaute sich schweigend um. Sein Blick wanderte über die Felskämme, den tanzenden Staub, die seltsamen Ruinen und blieb schließlich an der Mauer aus Licht hängen. »Was ist das?«
    »Der Grenzwall des Pandæmoniums«, erklärte Lucien.
    Der Erfinder kletterte über das verstreute Geröll, bis er nur noch einen Schritt von der himmelhohen Wand entfernt war. Er kniff die Augen zusammen und hob die Hand, wagte jedoch nicht, das Licht zu berühren. »Woraus besteht er?«
    »Aus Güte, Demut, Selbstlosigkeit, heißt es in den alten Legenden. Den kollektiven guten Kräften der Menschheit.«
    Vivanas Vater wandte sich mit gerunzelter Stirn zu ihnen um. »Nimmst du mich auf den Arm?«
    »Dieser Ort ist nichts anderes als ein Gefängnis«, fuhr Lucien fort. »Der Wall hindert die Dämonen daran, ins Diesseits einzudringen.«
    »Ammenmärchen. Es muss eine vernünftige Erklärung für all das geben.« Der Erfinder begann, die Lichtmauer abzuschreiten und eingehend zu untersuchen.
    Vivana seufzte. Kein Zweifel, er war wieder ganz der Alte.
    Ihr ging es allmählich besser. Nun, da die Wirkung der bösen Energien nachließ, hellte sich ihre Stimmung auf. Doch kaum dachte sie an Liam, überkam sie abermals Niedergeschlagenheit.
Sie stand auf und blickte über das Ödland. Es schien endlos zu sein, so weit sie das bei all dem Dunst, Rauch und Staub beurteilen konnte. Und sie hatte nicht den kleinsten Anhaltspunkt, wo er sein könnte. »Wie um alles in der Welt sollen wir Liam finden?«, fragte sie Lucien.
    »Indem wir uns wie vernünftige Reisende verhalten und nach dem Weg fragen.«
    »Was?«
    »Pack deine Sachen«, sagte der Alb. »Es wird Zeit, dass wir aufbrechen.«
    Nachdem sie die Decken und ihre übrige Ausrüstung verstaut hatten, machten sie sich auf den Weg. Ein Pfad schlängelte sich den Hügel hinunter; alle zwanzig oder dreißig Schritt waren Stufen in den Fels geschlagen worden. Die Seelenschar hatte sich zerstreut und war nicht mehr zu sehen. Nur noch zwei Geistwesen hielten sich in der Nähe auf, eine Frau in einem altmodischen Kleid und ein dunkelhäutiger Mann mit weißen Tüchern vor dem Gesicht, die lediglich einen Spalt für die Augen freiließen. Lucien führte sie in einem weiten Bogen an den beiden Gestalten vorbei.
    Sie marschierten an einer Erdspalte entlang, in der böse Energie floss: ein dünner, stinkender Bach, der in dieselbe Richtung strömte, in die sie gingen.

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