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Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen

Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen

Titel: Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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Lucien achtete darauf, dass sie stets im Schutz der Felsen blieben, die sie vor unwillkommenen Blicken verbargen.
    »Sieht so aus, als wäre ich nun dein Vergil, was?«, sagte er nach einer Weile zu Vivana.
    »Vergil? Wer ist das?« »Oh. Richtig. In deiner Welt gibt es das Buch ja gar nicht. Was übrigens sehr betrüblich ist. Jeder sollte es mal gelesen haben. Wenn du willst, leihe ich es dir bei Gelegenheit. Ich müsste irgendwo noch ein Exemplar haben.«
    »In meiner Welt?«, fragte sie verwirrt. »Wovon redest du?«

    »Vergiss es.« Lucien blieb plötzlich stehen. »Köpfe runter. Wir sind da.«
    Der Weg hatte zu einer Anhöhe hinaufgeführt, die wenige Schritte vor ihnen senkrecht abbrach. Unterhalb der kleinen Felswand befand sich eine schrundige Mulde, in der sich die Substanz aus der Erdspalte sammelte und einen öligen Tümpel bildete. Daneben erstreckte sich eine von Geröll übersäte Ebene, mit zahlreichen Löchern im Boden. Manche glühten, aus anderen quoll Rauch.
    Vivana und ihr Vater befolgten Luciens Anweisung und gingen hinter einigen vom Wind abgeschliffenen Steinbrocken in Deckung.
    »Was tun wir hier?«, fragte sie leise.
    »Warten.«
    Der Alb lehnte sich gegen einen Felsen, holte das Brandeisen aus seinem Rucksack und strich mit Zeige- und Mittelfinger über die Schriftzeichen auf dem rußschwarzen Metall.

7
Das Rattennest
    I ch hätte nicht herkommen dürfen , dachte Umbra, als sie aus den Schatten der Gasse trat.
    Das Rattennest hatte sich in den letzten Jahren kaum verändert. Genau wie früher wimmelte es auf dem Platz von fliegenden Händlern und Schlammtauchern, die allerlei Plunder anboten, von Krüppeln, Halsabschneidern und halb nackten Huren, die potenziellen Kunden derbe Offerten zuriefen. Schmieriger Rauch stieg von den Müllfeuern auf; es stank nach Unrat, Exkrementen und dem brutzelnden Fett der Garküchen. Unzählige Durchgänge, Passagen und Treppenfluchten befanden sich zwischen den heruntergekommenen Stadthäusern. Sie führten zu dem Gewirr aus tunnelähnlichen und teilweise unterirdischen Gassen, dem das Viertel im Norden der Grambeuge seinen Namen verdankte.
    Ein halbes Dutzend Gebäude mit vergitterten Toren und wuchtigen Mauern beherrschte den Platz: ehemalige Sklavenpferche und -märkte. Nach dem Verbot von Menschenhandel in der frühen Republik hatten sich die Unterweltclans von Bradost darin eingenistet, denn die wehrhaften Bauwerke ließen sich leicht verteidigen und standen in einer Gegend, die von der Obrigkeit gemieden wurde. Allerdings war die Macht der großen Einbrecher- und Hehlerbanden seit vielen Jahren am Schwinden. Soweit Umbra wusste, lebten nur noch zwei der alten Familien hier, und ihr Einfluss reichte obendrein kaum über
die Grambeuge hinaus. Das Rattennest gehörte nun Abschaum wie Asher und anderen Lumpenhändlern, die die alten Sklavenhallen in Paläste aus Müll und Schrott verwandelt hatten.
    Umbra überquerte den Platz mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze, denn es war nicht ausgeschlossen, dass jemand sie erkannte. Nicht, dass sie vor all diesen finsteren und abgerissenen Kreaturen Angst gehabt hätte – in der Abenddämmerung waren ihre Kräfte so stark, dass ein gewöhnlicher Dieb oder Messerstecher ihr kaum etwas anhaben konnte. Aber sie wollte Ärger vermeiden und diesen unangenehmen Auftrag so schnell wie möglich hinter sich bringen.
    Unzählige Erinnerungen stürzten auf sie ein, wachgerufen von den vertrauten Gerüchen und Geräuschen. Der Kerl mit dem Bauchladen dort an der Ecke hatte schon da gestanden, als sie noch ein Kind gewesen war – er verkaufte Zigaretten und Zündhölzer. Die Spelunke gegenüber gehörte einem ehemaligen Söldner namens Hodge. Er hatte unter der Hand Schießpulver verkauft, bis die Warwicks, die den Waffenhandel kontrollierten, ihm ein Auge ausstachen. Da drüben, vor dem Kettentor, hatte Umbra ihren ersten Kampf bestanden. Sie war vierzehn gewesen und hatte Drogo Brock, der ihr eine Lektion erteilen wollte, zwei Zähne ausgeschlagen und ihm sein eigenes Messer in den Arm gestoßen. Als ihre Leute davon erfuhren, hatten sie Umbras Sieg über einen verhassten Brock die ganze Nacht gefeiert. Sie hatte sich wie die künftige Königin der Grambeuge gefühlt.
    An all diese Dinge erinnerte sie sich, als wären sie erst gestern geschehen. Dabei hatte sie vier Jahre lang versucht, sie zu vergessen.
    Sie fluchte leise. Sie hätte darauf bestehen müssen, dass Corvas sich um diese Sache kümmerte. Aber diese

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