Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen
krankgemacht und entstellt. Jetzt aber glich er einem Monster.
Sein Gesicht und seine Hände waren von Wunden übersät, von zahllosen nässenden Löchern in der Haut, als hätten winzige Mäuler das Fleisch zerbissen. Tornes Lippen waren ausgetrocknet wie bei einer Moorleiche, aus der verbrannten Kopfhaut sprossen vereinzelte Haare. Eine klaffende Höhle befand sich anstelle des linken Auges.
Umbra schluckte. Sie wusste von Tornes Unfall, aber damit hatte sie nicht gerechnet.
Der Alchymist saß an einem Tisch, blätterte in einem Folianten und machte sich manisch Notizen. Er war so in seiner Arbeit versunken, dass er Umbras Auseinandersetzung mit Mama Ogda und ihr Eindringen in den Keller nicht bemerkt hatte. Erst als sie näher kam, schreckte er auf und stieß dabei fast sein Tintenfass um.
»Wer zum Teufel …« Es dauerte einen Augenblick, bis er sie erkannte. »Oh. Du bist es. Was willst du?«
»Mit dir reden. Lady Sarka schickt mich.«
Sein Gesicht – oder das, was davon übrig war – verfinsterte sich. »Ich will nichts mit ihr zu tun haben. Sie soll mich in Ruhe lassen.«
»Sie ist die Lordkanzlerin von Bradost – deine Gebieterin. Du wirst mir brav zuhören, mein Bester, oder wir sehen uns im Ministerium der Wahrheit. Hast du verstanden?«
Torne kauerte mit ausgebreiteten Armen über dem verstreuten Papier wie ein Aasfresser, der seine Beute bewacht. Die graue Robe, die er trug, war viel zu groß für seinen abgemagerten Leib. »Wie hast du mich überhaupt gefunden?«
»Corvas’ Krähen haben dich aufgespürt.«
»Corvas«, schnaubte der Alchymist. »Hätte ich mir ja denken können … Also, warum bist du hier? Wie kann ich unserer geliebten Lordkanzlerin zu Diensten sein?«
»Lady Sarka hat von deinem Doppelgänger gehört. Sie möchte ihn dir abkaufen.«
»Wozu braucht sie einen Doppelgänger?«
»Das geht dich nichts an.«
Tornes mumienhafte Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. »Lass mich raten: Das Attentat hat sie auf die Idee gebracht, richtig?«
»Sie bietet dir eine großzügige Summe«, sagte Umbra.
»Wie großzügig?«
»Zwölftausend Silberschilling.«
»Zu wenig. Sie sollte eigentlich wissen, was ein Doppelgänger kostet.«
»Sie ist bereit, über die Einzelheiten des Geschäfts zu verhandeln. «
Torne lehnte sich zurück. »Es gibt da nur ein kleines Problem. Der Doppelgänger ist tot. Verbrannt wie der Rest meines Besitzes.«
»In diesem Fall erteilt dir Lady Sarka den Auftrag, ihr einen neuen Doppelgänger zu beschaffen.«
»Schwierig. Sie wachsen nicht gerade auf Bäumen, weißt du?«
»Du hast einmal einen gefunden. Es kann doch nicht so schwer sein, noch einen aufzutreiben.«
»Und wenn ich gerade Besseres zu tun habe?«
»Das da wäre?«
»Privatsache«, sagte Torne.
Umbra drehte den Folianten und betrachtete die aufgeschlagenen Seiten. »Alben und ihre Kräfte? Machst du wieder Jagd auf unschuldige Schattenwesen?«
»Schon möglich.«
»Es gibt keine Alben mehr.«
»Einer ist noch da.«
»Sag bloß, du suchst nach Aziel.«
»Nach Lucien!«, sagte Torne und spie den Namen aus wie ein widerliches Stückchen Knorpel.
Sein Hass ließ die Luft in dem Gewölbe vibrieren. Umbra musterte ihn nachdenklich. Lucien … Dieser Name fiel in letzter Zeit verdächtig oft. »Weswegen?«
Torne schwieg finster.
»Steckt er hinter deinem Unfall?«, fragte sie ins Blaue hinein.
Der Alchymist versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, doch sie konnte sehen, dass ein Muskel in seinem Gesicht zuckte.
»Lucien hat dir das angetan, nicht wahr?«
Torne fuhr auf und schlug krachend auf den Tisch. »Ich werde ihn finden!«, schrie er. »Und dann koche ich diesen Bastard aus, Knochen für Knochen, bei lebendigem Leib!«
Umbra beschloss, ihre Strategie zu ändern. Wenn Geld allein Torne nicht interessierte, musste sie ihm eben etwas anbieten, das ihn mehr reizte. Und wenn sie dabei ein paar Antworten bekam – umso besser. Schließlich war ihr immer noch nicht klar, welche Rolle Lucien bei Aziels Angriff auf Jackon gespielt hatte. »Ich habe ihn gesehen.«
»Lucien? Wann?«
»Vor zwei Tagen. Er war im Palast.«
Tornes gesundes Auge verengte sich zu einem Schlitz. »Tatsächlich? «
»Ich kann dir mehr sagen, wenn du mir verrätst, was in deinem Labor vorgefallen ist.«
»Lucien ist vor knapp zwei Wochen in meinem Haus aufgetaucht. Er wollte mich zwingen, ihm bei seinen Nachforschungen zu helfen.«
»Welche Nachforschungen?« »Er wollte herausfinden, wer dem
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