Pandaemonia 03 - Phoenixfeuer
ihm keinen Vorwurf. Amander hatte lediglich Lady Sarkas Befehle befolgt; sie an seiner Stelle hätte genauso gehandelt. Schließlich waren sie dazu übergegangen, den Kessel abzuriegeln und in allen Straßen und Gassen bewachte Absperrungen zu errichten, um die Dämonen wenigstens daran zu hindern, in die benachbarten Stadtviertel einzudringen. Das war nur eine Notlösung, aber sie funktionierte, zumindest vom militärischen Standpunkt aus betrachtet. Für die Bewohner des Kessels war es eine Katastrophe, denn alle, die es nicht geschafft hatten, rechtzeitig zu fliehen, waren nun mit den Dämonen eingeschlossen. Umbra wagte nicht zu schätzen, wie viele Menschen noch in den Ruinen hausten und sich in Kellern und unterirdischen Tunneln versteckten. Hunderte, vielleicht tausende. Nachts hörte man ihre Schreie.
Die Barrieren aus Stacheldraht, Sandsäcken und angespitzten Pfählen schlossen die Alte Festung und das Magistratsgebäude ein und erstreckten sich von der Kupferstraße im Nordosten bis zum Flussufer im Süden und dem Chymischen Weg im Osten. Tausendsechshundert Soldaten und Milizionäre waren im Einsatz, um sie zu verteidigen. Momentan herrschte eine Art Waffenstillstand. Abgesehen von einzelnen Scharmützeln wie dem heute Morgen wagten die Dämonen keine neuen Angriffe gegen die Absperrungen. Die Soldaten nutzten die Gelegenheit, um ihre Kräfte zu schonen, während sie darauf warteten, dass die frischen Regimenter aus Karst eintrafen.
Umbra beobachtete den Magistratspalast. Sie wusste nicht, was mit dem Gebäude geschah, doch es gab keinen Zweifel, dass es sich auf bizarre Weise veränderte. Ein graues Pilzgeflecht wucherte aus Fenstern und Kaminen und überzog Wände und Dächer mit wulstigen Geschwüren — die an manchen Stellen bereits wieder abstarben. Das Mauerwerk, das darunter zum Vorschein kam, glitzerte feucht und wirkte seltsam organisch.
Das ist Nachachs Werk,
dachte Umbra. Vor ein paar Tagen hatten Corvas' Krähen herausgefunden, dass die Dämonen von einem mächtigen Fürst des Pandæmoniums angeführt wurden. Nachach und seine Blutsklaven hatten sich in dem Palast eingenistet und alle Menschen darin getötet. Ihre Leichen hingen wie grausiger Schmuck in den Platanen vor dem Gebäude.
Der Erzdämon hatte auch veranlasst, dass der Rodis gestaut worden war. Umbras Blick wanderte zu der Stelle, wo die gewaltige Erdspalte den Fluss berührte. Die Dämonen hatten dort Trümmer und Baumstämme aufgetürmt, damit das Wasser nicht die Spalte flutete.
Umbra richtete das Fernrohr auf den Abgrund, aber sogar von hier oben konnte sie nicht erkennen, was darin vor sich ging. Die Krähen hatten eine seltsame Beobachtung gemacht: Im Innern der Spalte kämpften Dämonen gegeneinander. Offenbar wollten Nachachs Blutsklaven verhindern, dass neue Dämonen durch den Riss in den Grenzwällen des Pandæmoniums ins Diesseits eindrangen. Weder Umbra noch Corvas hatten dafür eine Erklärung.
Will Nachach Bradost für sich allein?
Sie hatte darüber nachgedacht, ihn umzubringen. Nach Wochen des Kampfes wusste Umbra, dass man Dämonen — obgleich wesentlich stärker und zäher als Menschen — recht einfach töten konnte. Ein gezielter Schuss in den Kopf genügte. Es wäre ein Leichtes für sie gewesen, mittels eines Schattentores unbemerkt in den Magistratspalast einzudringen, Nachach zu erledigen und wieder zu verschwinden, bevor ihr Nachachs Blutsklaven gefährlich werden konnten. Doch was würde danach geschehen? Würden die anderen Dämonen auch ohne ihren Anführer die Erdspalte abriegeln? Vermutlich nicht. Immer neue Ungeheuer würden durch den Riss strömen, bis Umbra und ihre Soldaten den monströsen Horden schließlich nichts mehr entgegenzusetzen hatten. Nein, es war klüger, Nachach am Leben zu lassen. Vorerst.
Der Captain kam die Treppe herauf. Umbra schob das Fernrohr zusammen und gab es dem Artilleristen zurück. »Sie haben mich rufen lassen, Frau Kommandantin.«
»Ich warte auf Ihren Lagebericht. Ich habe gehört, heute Morgen gab es einen Angriff?«
»Nur eine Hand voll Dämonen, die die Straßensperren durchbrechen wollten. Zwei Krieger und mehrere Kynokephalen. Wir konnten sie ohne Probleme zurückschlagen.«
»Verluste?«
»Zwei Milizionäre und ein Meldeläufer wurden leicht verletzt. Der Feldarzt hat sie bereits versorgt. Morgen sollten sie wieder einsatzfähig sein.«
»Weitere Vorkommnisse?«, fragte Umbra.
»Heute Nacht haben wir einen Verschlinger getötet. Er hat versucht, im
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