Pandaemonia 03 - Phoenixfeuer
Los, weiter.«
Sie rannten zum Frachtraum. Als Vivana die Tür aufstieß, wurde sie beinahe von Ruac erdrückt, der ihr entgegenkam. Es hatte den Lindwurm ganz verrückt gemacht, in einer engen Kammer eingesperrt zu sein, während draußen eine Schlacht tobte. Er zischte und bebte am ganzen Körper.
Vivana umschlang seinen Hals und drückte sich an ihn. »Ruhig«, flüsterte sie. »Ich bin ja bei dir.«
»Was hast du vor?«, fragte Liam.
»Wir fliegen der
Jaipin
nach. Mit Ruac.«
»Was?«
»So lautet unser Plan, weißt du nicht mehr? Wie wollen wir sonst zu Lady Sarkas Palast kommen?«
»Ja, aber als wir das beschlossen haben, dachten wir nicht, dass uns die ganze Flotte von Bradost angreifen wird. Wie sollen wir das Inferno da draußen lebendig überstehen?«
Ein Sirren erklang. Liam und Vivana zogen instinktiv die Köpfe ein, und einen Sekundenbruchteil später krachte es. Splitter flogen durch den Frachtraum. Ruac brüllte wütend. Als Liam die Augen wieder öffnete, klaffte ein kopfgroßes Loch in der Außenwand, durch das der Wind hereinfauchte. Schrotsplitter steckten in der Wand neben der Tür.
»Hier drin ist es auch gefährlich«, sagte Vivana entschlossen und begann, sich an der Ladeluke des Frachtraums zu schaffen zu machen.
Liam bekam ein äußerst flaues Gefühl im Magen, als sie versuchte, den schweren Riegel aufzuschieben. Er litt nicht an Höhenangst, aber bei dem Gedanken, auf Ruacs Rücken durch die Luft zu fliegen, viele hundert Fuß über dem Meer und umgeben von feuernden Zeppelinen und tödlichen Blitzen, wurde ihm angst und bange. »Warte. Wir wissen doch gar nicht, ob Ruac uns beide tragen kann. Wir hätten das vorher ausprobieren sollen.«
»Natürlich kann er uns tragen. Er ist stark. Auf einem Pferd kann man schließlich auch zu zweit sitzen.«
»Das ist etwas anderes.«
»Willst du lieber mit der
Zhila
abstürzen? Jetzt hilf mir mit der Tür.«
Liam schluckte und zog den Riegel zurück. Die Ladeluke des Frachtraums lief auf einer Schiene und ließ sich nun mühelos öffnen. Eisiger Fahrtwind peitschte ihm entgegen, riss an seinem Hemd, seiner Hose, trieb ihm die Tränen in die Augen. Der Lärm der Schlacht war markerschütternd. Mit einer Hand an einer Metallstrebe blickte er zu den Wellen tief unter ihm. Unwillkürlich machte er einen Schritt zurück. Er wünschte, er hätte nicht hinabgesehen.
»Das ist Wahnsinn, Vivana. Einfach Wahnsinn.«
Sie saß bereits auf Ruacs Rücken. Der Lindwurm schien es kaum abwarten zu können, endlich loszufliegen. »Steig auf und halte dich an mir fest.«
Er rührte sich nicht von der Stelle.
»Vertrau mir«, sagte sie.
Liam gab sich einen Ruck und kletterte hinter sie, setzte sich zwischen zwei Rückenstacheln und winkelte die Beine so an, dass Ruac ungehindert seine Flügel bewegen konnte. Die Oberschenkel presste er fest gegen die Schuppenhaut, und die Arme schlang er um Vivanas Taille.
Unruhig scharrte Ruacs Schwanz über den Boden. Er hatte die Flügel so weit entfaltet, wie es der enge Frachtraum erlaubte.
»Kann's losgehen?«, fragte Vivana.
»Ich weiß nicht. Keine Ahnung. Vielleicht warten wir lieber noch einen Moment ...«
»Los!«, rief sie und klammerte sich an Ruacs Hals fest.
Der Lindwurm schoss nach vorne, Liam presste sich an Vivana und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar — und dann waren sie plötzlich draußen in der Luft. Wirbelnde Böen hüllten sie ein, und Liam spürte, wie die gähnende Tiefe an ihnen saugte.
Ruac fiel wie ein Stein.
Wir sind zu schwer!,
durchfuhr es Liam, bevor die Panik jeden seiner Gedanken wegspülte und er nichts mehr tun konnte als zu schreien, zu schreien, bis er heiser war.
Er erwartete, jeden Moment auf der betonharten Oberfläche des Meeres zerschmettert zu werden. Doch plötzlich verlangsamte sich ihr Fall, und er hörte das gleichmäßige
Wapp-Wapp-Wapp
schlagender Flügel.
Vorsichtig öffnete er die Augen. Sie schwebten irgendwo im Nichts, fielen nicht, stiegen aber auch nicht auf. Trotz der Eiseskälte schwitzte Liam am ganzen Körper. Er spürte, wie sich Ruacs mächtige Muskeln im Takt des Flügelschlags unter den Schuppen bewegten. Offenbar gewöhnte sich der Lindwurm allmählich an das zusätzliche Gewicht zweier Reiter und bekam die Lage unter Kontrolle.
Sie waren gut dreihundert Fuß gefallen. Hoch über ihnen tobte die Schlacht. Es regnete Trümmer.
»Da lang, Ruac!«, rief Vivana und deutete auf dir
Jaipin
, die sich, verfolgt von der
Phönix,
inzwischen über der
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