Pandaemonia 03 - Phoenixfeuer
Nachrichten.«
In Corvas' Gesicht regte sich nicht der kleinste Muskel. Umbra hätte zu gerne gewusst, was er gerade empfand. Verspürte er wenigstens ein kleines bisschen Angst, oder war das eine viel zu menschliche Gefühlsregung für die alte Krähe?
»Unsere Befürchtungen sind unglücklicherweise eingetreten, Herrin«, berichtete er in einem Tonfall, der wie immer bar jeglicher Emotionen war. »Die Gefangenen sind heute Nacht geflohen. Als ich im Ministerium eintraf, war es bereits zu spät.«
Umbra rechnete mit einem Zornesausbruch, doch Lady Sarka blieb erstaunlich ruhig. Sie murmelte lediglich einen lautlosen Fluch. »Wie?«, fragte sie.
»Offenbar hatten sie Hilfe. Einer der Männer hat berichtet, Jackon habe die Wachmannschaften getäuscht und dazu gebracht, dass man ihn zu den Gefangenen vorlässt.«
»Entgegen deinen Befehlen.«
»Ja.«
»Und anschließend hat niemand versucht, ihn aufzuhalten?«
»Die Gefangenen haben mehrere Posten überwältigt und sich den Weg freigekämpft. Wie sie das Ministerium verlassen konnten, ist noch nicht vollständig geklärt. Diesbezüglich sind die Berichte der Männer recht ... widersprüchlich.«
»Widersprüchlich? Was soll das heißen?«
Umbra hatte noch nie erlebt, dass Corvas mit Worten rang. Aber was er zu sagen hatte, war auch zu absurd. »Dem Anschein nach hat eine Art Ungeheuer in die Kämpfe eingegriffen.«
Lady Sarka starrte ihn an. »Nimmst du mich auf den Arm?«
»So lautet der Bericht des Dienst habenden Sergeants, Herrin.«
Sie warf die Schutzmaske auf einen Stuhl. »Ein Ungeheuer«, wiederholte sie verächtlich. »Ein
Ungeheuer!
Für diesen Unsinn sollte ich dich eigenhändig auspeitschen.«
»Ich bin bereit, die Folgen meines Versagens zu tragen«, sagte Corvas tonlos.
»Oh, wie ehrenhaft von dir. Aber das bringt die Gefangenen auch nicht zurück.«
Für einen Augenblick glaubte Umbra, die Herrin würde Corvas schlagen, aber dann wandte sie sich plötzlich ab, ging zum Tisch und überprüfte die Ventile der Glasapparatur. Umbra wurde nicht klug aus ihr. Vorfälle wie dieser machten sie normalerweise rasend vor Zorn, aber so, wie sie sich gerade verhielt, konnte man den Eindruck gewinnen, dass die ganze Angelegenheit sie im Grunde nicht interessierte.
»Gibt es irgendeinen Hinweis, wo sie jetzt sein könnten?«, fragte Lady Sarka, während sie die Ventile neu justierte.
»Wir vermuten, dass sie in die Katakomben geflohen sind, aber dort verliert sich ihre Spur«, antwortete Corvas. »Ich habe bereits die Krähen nach ihnen ausgesandt.«
»Und Jackon hat sich ihnen angeschlossen.«
»Darauf deutet alles hin, ja.«
Nicht einmal jetzt kam es zu einem ihrer gefürchteten Wutausbrüche. Nur ein verstimmt wirkender Seitenblick. »Soll er tun, was er für richtig hält. Ich habe ohnehin keine Verwendung mehr für ihn.«
Diese Bemerkung war Umbra ein Rätsel. War sie nicht darauf angewiesen, dass Jackon ihr half, sich in den Traumlanden zurechtzufinden?
Lady Sarka wandte sich zu ihnen um. »Deine Krähen sind nutzlos, wenn sie sich in den Katakomben verstecken. Aber wir finden sie auch so. Wenn sie nicht aufgeben, wovon ich ausgehe, werden sie früher oder später ihren ursprünglichen Plan aufgreifen und versuchen, mit den Bleichen Männern zu sprechen. Im Verhör haben sie gesagt, dass sie noch nicht wissen, wo sich die Bleichen Männer verstecken, richtig?«
»Das ist korrekt«, bestätigte Corvas.
»Gut. Das verschafft uns etwas Zeit. Findet heraus, wo sich der Spiegelsaal der Bleichen Männer befindet, und stellt ihnen dort eine Falle. Wie darf ich diesen Blick verstehen, Umbra? Hast du Einwände dagegen?«
»Das ist nur ein Märchen, Herrin«, begann Umbra vorsichtig. »Ich bin mir nicht sicher, ob wir wirklich ...«
»Nein. Kein Märchen«, unterbrach Lady Sarka sie. »Alles andere als ein Märchen. Die Bleichen Männer sind so real wie du und ich. Und wenn jemand im Stande ist, eine Lücke in Shembars Bindezauber zu finden, dann sie. Wir tun gut daran, das ernst zu nehmen.«
Umbra war nicht überzeugt, doch sie beschloss, ihre Bedenken für sich zu behalten. Das Wissen der Herrin über die alten Geheimnisse Bradosts war gewaltig, und sie hatte gelernt, darauf zu vertrauen.
»Geht zur Großen Bibliothek«, befahl Lady Sarka. »Sucht in den Kellerarchiven nach Aufzeichnungen aus der Zeit der ersten Choleraepidemie. Wenn ihr dort nichts findet, wendet euch an die Alchymisten. In der Gilde gab es immer wieder Dummköpfe, die
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