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Pandaemonia 03 - Phoenixfeuer

Pandaemonia 03 - Phoenixfeuer

Titel: Pandaemonia 03 - Phoenixfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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verzweifelt genug waren, die Bleichen Männer um Rat zu bitten.« Sie setzte ihre Schutzmaske auf, wandte sich wieder ihren Apparaturen zu und signalisierte Umbra und Corvas damit, dass sie entlassen waren.
    Bevor Umbra ein Schattentor öffnete, sah sie noch, wie die Herrin mit einer Zange das Kristallmesser aus der milchigen Flüssigkeit fischte und es so vorsichtig, als wäre es ein kostbares Kunstwerk, in eine Schale aus Silber legte.

14

Mama Ogdas destillierte Erinnerungen
    E s war das erste Mal seit Tagen, dass Lucien durch die Stadt ging, und was er sah, gefiel ihm nicht. Eine ungute Stimmung erfüllte die Gassen. Beinahe jedes zweite Gesicht, das ihm begegnete, wirkte übermüdet. Die Menschen schleppten sich nur so dahin und verrichteten blass und erschöpft ihr Tagwerk. Am schlimmsten war es im Rattennest, wo sich das Elend der Grambeuge in geballter Form präsentierte. Überall entlud sich die Gereiztheit. Bettler und Huren brüllten einander an, einmal kam es sogar zu einer Messerstecherei zwischen Matrosen, die sich wegen einer Belanglosigkeit stritten. Mehrmals begegneten ihm Leute, die offensichtlich den Verstand verloren hatten, die brabbelnd Selbstgespräche führten oder ihn mit aufgerissenen Augen anglotzten, während ihnen der Speichel aus dem Mund troff. Bei den meisten handelte es sich um Opiumsüchtige oder Geisteskranke, um Menschen also, die nicht mehr die notwendigen Widerstandskräfte besaßen, um dem Zerfall der Seelenhäuser etwas entgegenzusetzen. Lucien ahnte jedoch, dass es nicht mehr lange dauerte, bis auch geistig Gesunde so sehr unter den Traumstörungen litten, dass es ihren Verstand angriff.
    Zu allem Überfluss spielte auch noch das Wetter verrückt. Als er die Kanäle verlassen hatte, war der Himmel im Norden schwefelgelb gewesen. Kurz darauf hatte es gehagelt, mit kurzen Unterbrechungen, in denen die Sonne schien. Jetzt heulte auf einmal ein frostiger Wind durch die Gassen. Irgendetwas ging vor sich, er konnte es spüren. Und es war ganz sicher nichts Gutes.
    Mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze überquerte er den Platz, ging, so gut er konnte, den Menschen aus dem Weg und huschte zu einer tunnelartigen Gasse zwischen den Gebäuden. An der Ecke stand ein in Lumpen gehüllter Prediger und verkündete das nahende Ende der Welt. Lucien wandte den Blick ab, als der Mann ihm etwas Unverständliches zurief, und eilte die Stufen hinab. Seine Hand lag immerzu auf dem Messerknauf. Dies war eine gefährliche Gegend für ein Schattenwesen. Ganz besonders für eines, das seine Kräfte verloren hatte.
    Glücklicherweise war die Gasse so gut wie menschenleer, denn die meisten Leute waren vor dem launischen Wetter in die Tavernen und Teestuben geflohen. Lucien schlüpfte in einen Tunnel, teilte einen mit okkulten Symbolen bestickten Vorhang und gelangte in ein Gewölbe. Es wirkte mehr wie eine natürlich gewachsene Höhle als ein von Menschenhand geschaffener Keller. Regale ragten bis zur Decke empor. Irgendwo brannte schummriges Licht, und die Phiolen glitzerten in phantastischen Farben.
    Seine feinen Albensinne nahmen eine verwirrende Kaskade von Eindrücken auf, von Düften und Stimmungen, so als wäre er von den Geistern vergangener Jahrhunderte umgeben, die ihn flüsternd lockten. Er nahm ein absinthgrünes Fläschchen aus dem Regal und strich mit dem Daumen den Staub von der Beschriftung.
    Kuss im Sommerregen, Jahr des Greifs.
    Er stellte die Phiole zurück.
    »Komm raus«, sagte er. »Ich weiß, dass du mich beobachtest.«
    Eine zwergenhafte Gestalt trat aus den Schatten.
    »Lucien«, sagte Mama Ogda und lächelte verschlagen. »Mein lieber Freund. Wir haben uns ja eine Ewigkeit nicht gesehen. Was verschafft mir die Ehre?«
    »Ich muss mit dir reden.«
    »Gewiss. Komm nach hinten. Ich habe gerade Tee aufgesetzt.«
    Mama Ogda watschelte zu einem Tischchen. »Bitte. Setz dich«, forderte sie Lucien auf, verschwand in der Dunkelheit und kam mit einer dampfenden Kanne zurück. Während sie Tee in zwei Porzellantassen goss, nahm er wachsam in einem der beiden Ohrensessel Platz. Obwohl Mama Ogda keinen Hehl aus ihrer Sympathie für ihn machte, beschloss er, auf der Hut zu sein. Nur weil sie eine Schwäche für ihn hatte, würde sie nicht darauf verzichten, ihn übers Ohr zu hauen, wenn sich ihr die Gelegenheit dazu bot. Immerhin war sie eine Harpyie.
    Sie setzte sich zu ihm, nahm einen Schluck von ihrem Tee und schlürfte recht unappetitlich. Ihr Flügelpaar, das ahnungslose Besucher für

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