Pandaemonium - Die Letzte Gefahr
Distanz, die er auf einem Posten wie dem seinen haben musste.
»Ich verstehe, dass Sie Ihre Leute nicht in Gefahr bringen wollen«, erklärte Naomi. Dann fuhr sie in einem flehentlichen Tonfall fort: »Deshalb bitte ich Sie: Lassen Sie mich auf eigene Faust nach meiner Mutter suchen!«
König drehte sich wieder um. Mit diesem furchtlosen Vorstoß hatte er nicht gerechnet. »Völlig ausgeschlossen«, erklärte er und schüttelte energisch den Kopf. »Ich werde dich nicht in den Tod schicken.«
»Sie können mich nicht aufhalten«, entgegnete Naomi mit einer Ruhe, die man in Anbetracht ihres Alters nicht erwartet hätte. Sie wirkte vollkommen entschlossen.
Rafael trat an ihre Seite und verkündete: »Und ich werde sie begleiten.« Er hielt inne, und als keiner etwas sagte, fügte er hinzu: »Entweder Sie bringen uns auf den Campus der Klinik, oder wir werden einen anderen Weg finden, auch ohne Ihre Hilfe hineinzukommen.«
König überlegte eine ganze Weile. Es war eigentlich lächerlich, eine solche Idee von zwei Teenagern nicht sofort abzuschmettern. Doch gerade Naomi schien auf einmal hart wie Stahl zu sein. Etwas davon musste schon immer in dem Mädchen geschlummert haben … und Tage wie diese brachten dann das Beste oder Schlimmste in jedem Einzelnen zum Vorschein. Und, verdammt, wie half er ihr denn – jetzt, wo ihre ganze Welt zusammenbrach –, wenn er sie aufhielt? Seine Gesichtszüge entspannten sich, wenn auch nur ein klein wenig, und er antwortete schließlich: »In Ordnung. Ich werde euch hinbringen …«
»Ich danke Ihnen«, erwiderte Naomi und atmete erleichtert auf; viel länger hätte sie dem forschenden Blick von König nicht standgehalten.
»Aber nur unter einer Bedingung«, fuhr er fort und blickte sie sehr ernst an. »Ein Erwachsener begleitet euch.« Er schaute dabei in die Runde.
Paul warf Gabriela einen Blick zu, und als sie wortlos nickte, erklärte er: »Ich begleite die beiden.«
»Ich danke dir, Paul, dass du uns helfen willst«, sagte Naomi. »Aber ich glaube, es ist besser, du bleibst bei Gabriela und ihr zwei kümmert euch um Witter.« Naomi machte sich ernsthafte Sorgen um den alten Mann, der so schwach und müde wirkte.
Paul, der erst widersprechen wollte, überlegte kurz und nickte dann zustimmend.
König kam der Gedanke in den Sinn, dass absoluter Stress Menschen auch zum Guten verwandeln konnte. Wie anders sollte man es sonst erklären, dass dieses Mädchen plötzlich die Führung übernommen hatte. Dass sie sogar ihm ihren Willen aufzwang. Und schau dir nur diesen Mann an, dachte König mit Blick auf Paul Cancic. Im Grunde war der doch froh über Naomis Vorschlag, denn er wollte bestimmt seine Sicherheit und das Glück mit der Frau da an seiner Seite nicht erneut in Gefahr bringen. Er hatte sich nur aus Pflichtgefühl gemeldet. Das sprach für ihn, klar, aber dieses Mädchen brauchte so einen wohl wirklich nicht.
Naomi richtete ihr Wort an Jimmy. »Was ist mit dir? Schließt du dich uns an?«
Jimmy war verwundert. Er hatte es geschafft, Barabbas auszuschalten, ihm den Koffer wieder abzunehmen und aus der verseuchten Zone zu entkommen. Warum sollte er sich in Gefahr begeben und Naomi helfen, ihre Mutter zu suchen, die wahrscheinlich schon längst tot war? Er dachte nicht länger darüber nach und antwortete: »Ich stehe leider nicht zur Verfügung.«
Er ließ es sich nicht anmerken, aber König wurde wütend. Cancic mochte da draußen keine wirkliche Hilfe sein, aber so eine Straßenratte wie dieser Dealer wusste genau, wie man den Gefahren trotzte. Er trat an Jimmy heran und nahm ihn beiseite. Der Polizist sprach mit gedämpfter Stimme, damit die anderen nicht mithörten, was er sagte: »Sie, Jimmy, haben eine hübsche Liste an Vorstrafen: Betrug, unerlaubter Waffenbesitz, Drogenhandel, um nur einiges zu nennen. Mich selbst interessiert es einen feuchten Dreck, was Sie in dem Koffer haben, den Sie mit sich herumschleppen, aber ich denke, dass sich die Staatsanwaltschaft sicherlich brennend für dessen Inhalt interessieren wird. Und was glauben Sie, wie sich die Kollegen freuen würden, wenn sie wüssten, dass sie jemanden wie Sie hier beschützen müssen?« Er holte einmal tief Luft, bevor er mit drohender Stimme fortfuhr: »Entweder Sie erklären sich bereit, dem Mädchen zu helfen, oder ein paar –«
»Schon gut, schon gut«, unterbrach ihn Jimmy und sah den Polizisten so hasserfüllt an, als würde er ihn am liebsten sofort angreifen.
Gut, dachte König, der ist
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