Pandaemonium - Die Letzte Gefahr
der City West zu kontaktieren, um den Stoff zu verkaufen und dann mit dem Geld abzuhauen. Zum einen hatte jetzt jeder andere Sorgen, als sich eine Line die Nase hochzuziehen, zum anderen würde es sicherlich nicht so einfach sein, aus Berlin herauszukommen. Wahrscheinlich gab es überall Kontrollen, da war er sich ziemlich sicher. Und wenn sie ihn anhielten und mit den Drogen erwischten, wäre er geliefert. Jetzt, wo die ganze Welt am Abgrund stand, war der Stoff sowieso nichts wert, folgerte Jimmy. Jetzt würden die Leute kaum was dafür bezahlen wollen. Aber wenn es wieder aufwärtsging, würde der Stoff Gold wert sein. Also Kopf hoch!
Paul versuchte – ebenfalls vergeblich –, Gabriela über sein Handy zu erreichen. Nichts wünschte er sich sehnlicher, als dass sie seinen Anruf entgegennähme und ihm sagte, es ginge ihr gut. Wenn er daran dachte, dass sie sich vielleicht doch noch in Berlin-Mitte befand und sich womöglich auch bereits infiziert hatte, wurde ihm ganz übel. Er wollte sein Handy gerade wieder in die Tasche zurückstecken, als es plötzlich einen Piepton von sich gab. Schnell hob er es vor die Augen. Auf dem Display sah er einen schwachen Signalbalken. Eine Nachricht war eingegangen. Von Gabriela!
Es gelang ihm, eine offizielle Mitarbeiterin des Lagers ausfindig zu machen, bei der er sich nach Gabriela erkundigen konnte. Nachdem die Frau eine Liste mit den Namen der Flüchtlinge durchgegangen war, teilte sie ihm mit, dass sich die Gesuchte hier in der Zeltstadt befinden würde.
Pauls Herz pochte bis zum Hals vor Aufregung, als er einige Zeit später vor dem Zelt mit der Nummer 17 stand; sein Zittern, das ihn wegen des Alkoholentzugs immer wieder befiel, war in diesem Augenblick wie weggeblasen.
Es war natürlich eine der Unterkünfte in dem Abschnitt der Zeltstadt, wo die Frauen untergebracht waren. Langsam schob er die Eingangsplane des Zeltes zur Seite und schaute hinein. Er sah sechs Betten. Auf einem hockte eine junge Frau, die ihr Baby im Arm hielt und stillte, in einem anderen lag eine alte Frau, die zur Decke starrte, während daneben ein junges Mädchen sich damit beschäftigte, auf ihrem Smartphone ein Game zu spielen. Im hinteren Teil des Zeltes entdeckte er eine Frau, die mit dem Rücken zu ihm auf ihrem Bett saß, den Kopf nach vorne neigte und auf etwas in ihren Händen blickte. Sie hatte ihr Haar über die linke Schulter nach vorne gelegt, und ihr weißer, schmaler Nacken lag frei. Die Frau mit dem Baby und das junge Mädchen schauten kurz auf, als Paul mit langsamen Schritten an ihnen vorbei nach hinten ging.
Er wollte ihren Namen rufen, aber sein Mund war vor Aufregung so trocken, dass er keinen Ton herausbekam. Er versuchte es ein zweites Mal. »Gabriela.« Seine Stimme klang gebrochen.
Die Frau, die auf ein Handy in ihrer Hand gestarrt hatte, hob langsam den Kopf und drehte sich zu ihm um. Sie erkannte Paul nicht sofort wieder. Zwei Augen schauten ihn für einen Moment ungläubig an. Doch auf einmal realisierte sie, dass er es war. Sie sprang auf.
»Oh, mein Gott … Paul!«, rief sie.
Dann fielen sie sich in die Arme und hielten sich eng umschlungen. Beide brachen gleichzeitig in Tränen aus.
51
Schanz war schon nervös geworden, weil es so lange gedauert hatte. Doch dann klingelte schließlich sein Handy – und es war Weinert.
Der Regierende Bürgermeister klang nicht mehr wie der Mann, der dynamisch und mit Tatendrang die Dinge anpackte – so wie man ihn in diversen Slogans für die diesjährige Wahl verkauft hatte –, sondern sehr ernst und erschöpft. Er berichtete ihm mit knappen Worten, dass man einen Notstandsplan für Berlin verabschiedet und nunmehr auch den Flughafen, den Westhafen, alle Bahnhöfe und alle Ein- und Ausfahrtstraßen rund um die Stadt herum geschlossen hatte.
»Die WHO hat bereits Phase fünf – das erhebliche Pandemierisiko – ausgerufen«, fuhr Weinert fort. »Nicht nur in Berlin, sondern auch in Südostasien, genauer gesagt in Bangkok, gibt es erste Fälle mit dem tödlichen Virus.«
Schanz stockte der Atem. Hatte er gerade Bangkok gehört? Er klang verwirrt, als er nachhakte: »In Bangkok?«
»Ja. In Bangkok … Ist mit dir alles in Ordnung?« In Weinerts Stimme schwang ein wenig Sorge mit.
»Ja, ja, alles okay!«, stammelte Schanz. »Es hat mich kurz nachdenklich gestimmt, weil ich dort auf einer Geschäftsreise war.«
»Da musst du dir keine Sorgen machen, Peter. Es sei denn, du hast dort mit Nutten geschlafen.« Weinert stieß
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